Die Bayern-Wahl 2023
Zuerst und an erster Stelle einen Dank an alle, die die Linke und mich als Direktkandidat gewählt haben. Landtag war ja jetzt nicht wirklich realistisch, aber ich kann versichern, dass ich meine Energie auch weiterhin hier in der Stadt Memmingen einsetzen werde für eine gerechtere und bessere Welt und weiterhin für eine Stärkung der Demokratie und trotz alledem für Integration und ein gemeinsames Memmingen ohne Ausgrenzung.

Politiker reden ja nach der Wahl – auch wenn sie noch so krachend verloren haben – das Ergebnis immer schön – siehe auch CSU nach dieser Wahl. Schlechtes Ergebnis aber alles ist gut. (Nur der SPD gelingt das nicht mehr – ist ja wirklich auch schwierig).
So könnten wir – Die Linke – sagen: Ergebnis auf niedrigem Niveau stabilisiert, gute Basis, dass es wieder aufwärts geht. Und das persönliche Ergebnis des Direktkandidaten Rupert Reisinger ist mit 2,1% in der Stadt und über 1000 Stimmen im Stimmbezirk ein Erfolg.
Könnte man. Aber angesichts des Ausgangs der Wahl treten persönliche Ergebnisse hinter die allgemeine Lage zurück. Unserer Meinung nach ist die Wahl ein so deutlicher Ruck nach Rechts, dass wir uns Zeit nehmen müssen, darüber gründlich nachzudenken. AfD bei 14,6% (damit stärkste Oppositionspartei mit Erst-Rederecht auf Regierungserklärungen), die Freien Wähler bei 15,8% (mit einer immer rechteren / rechtspopulistischen Sprechweise) und die CSU mit dem schlechtestem Ergebnis seit Ewigkeiten (da müsste man ja fast froh sein, wenn sie mehr bekommen). Die SPD bewegt sich mit riesigen auf die 5% Hürde zu und der „Höhenflug“ der Grünen ist zu Ende. Die Opposition Grüne/SPD (wenn man die AfD aussen vor lässt) hat in Bayern 22,8%.
Wir bewegen uns mit großem Schritten auf amerikanische Verhältnisse zu: zwei verfeindete Gesellschaftlager, die keine gemeinsame Schnittmenge mehr haben. Aufgeteilt in Stadt / Land, in Ost / West. Das Prinzip ist einfach: man sucht sich ein Thema (immer eine wehrlose Minderheit – fast immer Migrant:innen) und bedient es mit Unwahrheiten ohne Ende. Auch gegen jede Regierung mit „Ihr das oben“ – „Wir da unten“ (vorher Merkel, jetzt die Ampel in Berlin mit Hauptfeind Grüne), obwohl man selbst zu „Ihr da oben“ gehört. Aiwanger beherrscht das hier am Besten.
Vieles hängt auch damit zusammen, dass die Zeiten nicht einfach sind und viele Menschen sich überfordert sehen und auch sind. Die eigene Lebenswirklichkeit wird immer prekärer und es gibt kaum Lösungsmöglichkeiten. Somit ist man anfällig für „Vereinfacher“, die für die Probleme aber nie Lösung anbieten. Und das wird nicht besser. Nach Meinung vieler Wissenschaftler befindet sich unser kapitalistisches Wirtschaftssystem in einem Zustand, der die Auswirkungen immer deutlicher sichtbarer werden lässt: ein Mehr an Wachstum (die Triebfeder des Wirtschaftssytems) wird immer schwieriger, die Ausbeutung der Erde und der Menschen immer bedrohlicher und unmenschlicher. Es gibt auf einer endlichen Erde einfach Grenzen. Die Folge sind immer schnellere Krisen, wieder mehr Kriege und immer mehr Unsicherheit für viele Menschen auf der Welt und auch bei uns in Bayern. Es gibt auch hier immer mehr „Verlierer“, die Armut steigt, die Mittelschicht (bisher eine treue Wählerschicht der Grünen) schrumpft bzw. hat am meisten zu befürchten. Somit ist es nicht verwunderlich, dass auch in der Mittelschicht die AfD-Wähler zunehmen.
Die AfD, die viele Wähler von SPD, Grünen und Linken gewinnen konnte (vor allem in Hessen) bezeichnet sich als rechte Kümmerer-Partei, die sich für die vergessenen Sorgen der einfache Leute einsetze. Sie ist dabei aber nicht für höhere Löhne, einen höheren Mindestlohn oder bessere Arbeitsbedingungen, oder Fortbildung für Arbeitslose. „Sozial“, so die AfD ist ein Ende der Verkehrswende und der Klimaschutzpolitik: Verbrennermotoren und Atomkraftwerke sollen weiter laufen dürfen, Heizungen auch künftig Öl und Gas verfeuern, das „Drama an den Zapfsäulen“ müsse ein Ende haben. Denn das alles mache die Preise teuer und die Leute arm. So einfach kann die Welt sein. Wobei wie immer etwas Wahrheit dabei ist: die Energiewende benachteiligt tatsächlich die armen Menschen, aber die Mittelschicht mit den großen Häusern und den großen Autos wesentlich mehr. Die Linke fordert daher „Klima-Gerechtigkeit“, aber ein „weiter so“ ist einfach praktischer.
Der Weinmarkt
Und was hat jetzt der Weinmarkt mit der Wahl zu tun?
Es ist ein schönes Beispiel für das Demokratieverständnis und Lobbyarbeit. Eigentlich ist die Schließung des Weinmarktes 2025 demokratisch beschlossen, in vielen Beschlüssen mit Zustimmung der CSU. Und genau diese CSU (mit der FDP) stellt jetzt den Antrag, dies wieder rückgängig zu machen. Die Planungen sind abgeschlossen (kostete auch bereits viel Geld) die ersten Aufträge für 2024 vergeben (denn da sollte der Umbau beginnen und Ende 2024 abgeschlossen sein). Und jetzt die Kehrtwende. Im nächsten Plenum am 16.10.23 soll es wieder rückwärts gehen.
- Demokratieverständnis: es ist sehr bedenklich, demokratisch gefasste Beschlüsse nach ausführlicher Diskussion und Abwägung nach kurzer Zeit wieder ändern zu wollen, ohne dass sich grundsätzlich neue Fakten ergeben haben. Böse Zungen würden behaupten dies ist die erste Stufe von Trumps Credo, eine Wahl einfach nicht zu akzeptieren. (dass in den USA Entscheidungen der Vorgängerregierung in großem Stil wieder rückgängig gemacht werden, passt in dieses Bild).
- Lobbyarbeit: ein paar wenige Geschäftsleute am Weinmarkt laufen Sturm gegen diese Entscheidung und setzten alle Hebel in Bewegung, unterstützt von der Autofahrer-Lobby. Die Einzelhändler treten ja nicht öffentlich auf und vertreten ihre Meinung, sie werden auch immer wieder gefragt und einbezogen und haben viel Möglichkeiten sich einzubringen (im Gegensatz zu vielen Bürger:innen).
Wenn sich neue Fakten ergeben, muss IMMER neu nachgedacht und neu entschieden werden. Gibt es keine neuen Fakten, ist es unserer Meinung nach grob fahrlässig, zu versuchen, Entscheidungen rückgängig zu machen. Und hier gibt es keine neuen Fakten.
Es gibt viel zu sagen zur aktuellen Entwicklung und was Zukunft bedeutet. Es ist ja gerade der Auto-Lobbyismus (mit täglicher Unterstützung der Bild-Zeitung) angesagt mit vielen Falschaussagen und eben ohne an die Zukunft zu denken. Und da schliesst sich der Kreis zur Landtagswahl: die Parteien gewinnen, die einfache „Wahrheiten“ verbreiten und mit Falschaussagen und Populismus unterwegs sind.

Es gibt viele Gründe, warum es dem Einzelhandel nicht gut geht und auch nicht mehr so gut gehen wird:
- der stark zunehmende Online-Handel
- die Einkaufszentren und Industriegebiete am Stadtrand
- die hohen Mieten in der Innenstadt
- ein wichtiger Punkt: immer weniger Menschen sind bereit, sechs Tage die Woche zu arbeiten, auch am Samstag
- Geschäfte-Inhaber finden immer weniger Nachfolger
- und durch Corona wurden viele Trends verstärkt.
Vieles liegt auch an der Politik der Stadt (immer mehr Einkaufszentren am Stadtrand), und Bürger:innen (bequemer Einkauf vom Sofa aus) und dem verändertem Freizeitverhalten (bei wenig und wenig sicheren Einnahmen – 60 Stunden die Woche und am Samstag arbeiten).
Wenn der Memminger Einzelhandel an 500 Meter Weinmarkt-Sperrung und 15 Parkplätzen zu Grunde geht, dann öffnen wir doch die Kramerstraße , den Marktplatz, den Theaterplatz und den Schrannenplatz wieder für den Autoverkehr und der Einzelhandel in Memmingen blüht auf.
Liebe CSU: da ist noch viel Platz nach oben für weitere Anträge.
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