Das Minarett

Das Minarett sorgt für groß Diskussion in Memmingen.

Abstimmungsergebnis 20:20 – damit abgelehnt (im Bauausschuss 7:7) – hat sich nichts geändert, obwohl AFD Mayer ziemlich ausfällig wurde.

Es gab die gleichen Argumente, wie im Bauausschuss, es hat sich auch hier nichts geändert. Ich werde meine Rede hier einstellen, da kommen dann alle Argumente vor.

Hier meine Rede im Plenum:

Herr Maier, sie haben viel über die Weltpolitik gesagt, über den politischen Islam, über die Bedeutung der Minarett im Islam, es ging um Ablehnung der türkischen  Mitbürger*innen und deren Kultur. Es ging in ihrer Rede um die Überfremdung von Deutschland. Es ging aber nicht um Memmingen, um die Situation der türkischen Gemeinde in Memmingen. Es war nicht zu spüren von einem Ringen um eine gute Lösung. Memmingen interessiert sie nicht.

Bedanken möchte ich mich bei Herrn Weissfloch und Herrn Schuhmaier für ihre Ausführungen. 

Alle Gerichtsurteile weisen auf die Genehmigungsfähigkeit von Minaretten hin. Es gibt auch von Seiten der Rechtsprechung keinen Grund, das Minarett abzulehnen. 

Wir sehen und in unserer Auffassung bestätigt und werden dem Bauantrag zum Minarett zustimmen.

Die Einschätzung zum Bebauungsplan 111 und zur dann folgenden Veränderunbgssperre sehen wir anders. Eine Änderung nur um etwas zu verhindern, darf es nicht geben – das wurde uns im Bauausschuss immer wieder gesagt. Und hier schaut es schon sehr nach Verhinderung aus, wenn man sich die vielen Diskussionen vorher anschaut und vor allem, weil auch glaubhaft von der Verwaltung dargestellt wurde, dass es rechtlich genehmigt werden muss.

Und 16 Meter nach Bebauungsplan muss auch noch nichts bedeuten. Beim Dachser Gebäude ging man den umgekehrten Weg – der Bebauungsplan sagte 16 Meter, beantragt und genehmigt wurden 32 Meter – es brauchte sieben Ausnahmen – und es ist wahrlich größer als 3 x 3 Meter. 

Wir werden daher die Bebauungsplanänderung ablehnen.

Wenn wir die rechtliche Ebene verlassen und nach Gefühl entscheiden, begeben wir uns auf gefährliches Terrain, kommen wir in Teufels Küche. 

Die Aussage, “Wir dürfen uns nicht hinter dem Baurecht verstecken” ist schwer zu verstehen. Wir sollten das Recht vor uns her tragen.

Ich möchte auf ein paar Argument eingehen, die hier vorgebracht wurden.

Zum Eid, den wir abgelegt habe

Horst Holas sagte: zum  Gemeinwohl der Bürgerschaft – Jürgen Kolb meinte: Wohl der Gesellschaft – beides ist falsch.

»Ich schwöre Treue dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und der Verfassung des Freistaates Bayern. Ich schwöre, den Gesetzen gehorsam zu sein und meine Amtspflichten gewissenhaft zu erfüllen. Ich schwöre, die Rechte der Selbstverwaltung zu wahren und ihren Pflichten nachzukommen, – so wahr mir Gott helfe«

Kein Wort zu Verpflichtung gegenüber Gemeinschaft, Gesellschaft, Bürgerschaft

Aber natürlich entscheiden wir zum Wohl der Bürger, weil wir davon ausgehen können, dass die Gesetze zum Wohl der Bürger sind. 

Zum Unwohl der Bürger oder zum Unwohl von Minderheiten sind die Gesetze in Unrechtsstaaten. Deshalb ändern Diktaturen und Autokraten als erstes die Gesetze – siehe Polen und Ungarn.

Zum “Versprechen einer Veranstaltung” bei der Einladung der Fraktionsvorsitzenden in der Moschee: Dies wurde meiner Meinung nach NICHT versprochen. Ich habe diesbezüglich mit Dekan Schieder, der ebenfalls auf dieser Veranstaltung war –  gesprochen, der sieht das genauso. Es wurde von unserer Seite gewünscht – und das sehe ich auch so, dass es sinnvoll gewesen wäre, vorher eine oder mehrere Veranstaltungen zu machen – versprochen wurde es nicht.

Zu dem Argument von 1200 Moscheen  haben nur ein paar Hundert ein Minarett: Da sollte man sich vielleicht mal mit den Betroffenen der islamischen Gemeinde unterhalten. Viele dieser Moscheen sind immer noch einfache Gebetsräume in Häuser mit gemischter Nutzung, da kann es einfach kein Minarett geben. Hier in der Gegend in Babenhausen und Immenstadt. Dann gibt es viele, die haben eine Moschee als eigenes Gebäude, aber kein Geld, ein Minarett zu errichten. Es taugt nicht als Argument, dass die meisten islamischen Gemeinden kein Minarett wollen. Weltweit sieht es anders aus – nahezu alle haben ein Minarett – da könnte man auch fragen, warum es bei uns anders ist.

Zur Aussage: Die Memminger, die Mehrheit will es nicht: Woher nimmt man denn die Gewissheit, dass das stimmt? Wer weiss das denn? Ich nehme auch was anderes wahr. Je jünger die Menschen werden, desto eher haben sie Verständnis. Die Freunde meiner Kinder sagen: Lasst sie doch machen. Vielleicht ist es ein Problem der Generationen. Aber alles Vermutung. Es weiss keiner, von daher ist es nur eine Behauptung.

Zur Aussage von Michael Hartge, das Minarett wird eher angenommen, wenn es nur 16 Meter hoch ist: Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Die Einstellung der Menschen ändert sich ja nicht, wenn das Minarett auf 16 Meter beschränkt wird oder wenn es nicht gebaut wird. Das Minarett ist, wie Hans Martin Steiger sehr anschaulich dargestellt hat, eine Produktionsfläche für ganz unterschiedliche Wahrnehmungen.

Zur Memminger DITIP Gemeinde – das habe ich ähnlich im Bauauschuss schon gesagt: Ich habe auch in den letzten Monaten und auch Tagen viel mit Mitgliedern der islamischen Gemeinde gesprochen, war in der Moschee und Herr Kul war bei mir – um zu verstehen, was sie umtreibt, was sie denken. Wer von Euch hat mit Ihnen gesprochen? Ja DITIB ist umstritten, die Entsendung der Imame aus der Türkei nach Deutschland soll jetzt beendet werden,  sie müssen hier ausgebildet werden – und das ist gut so.

Die Memminger Gemeinde ist um ein einvernehmliches Verhältnis zur Stadt und zur Stadtgesellschaft bemüht. Es mag andere Städte geben, wo es problematischer ist.  Ich möchte aus der Rede von Frau Kul, der Tochter vom Vorsitzenden Kul,  am Samstag auf dem Marktplatz zitieren:

In den vergangenen 60 Jahren haben wir, die türkische Gemeinschaft, einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung Deutschlands geleistet.  Die Eltern unserer Großeltern kamen als Gastarbeiter, um die Wirtschaft des Landes mit aufzubauen. Heutzutage sind wir die 4. Generation. Fast alle von uns sind hier geboren und aufgewachsen, haben Bildung genossen, berufliche Karrieren verfolgt und aktiv am gesellschaftlichen Leben teilgenommen. Unsere Integration ist ein Prozess, der von Generation zu Generation weitergegeben wurde, und wir sind stolz darauf, ein integraler Bestandteil dieses Landes zu sein.

Es ist wichtig anzuerkennen, dass unsere Identität als Deutsch-Türken nicht im Widerspruch zu unserer Loyalität gegenüber Deutschland steht. Wir sind Bürger dieses Landes, mit denselben Rechten, Pflichten und dem gleichen Streben nach Wohlstand. Anstatt uns zu spalten, sollten wir gemeinsam daran arbeiten, die Brücken zwischen den verschiedenen Gemeinschaften zu stärken und eine Einheit zu schaffen, die auf Vielfalt und Respekt basiert. – Zitat Ende

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Eigentlich wollte ich mich – wie im Bauausschuss – nur auf die rechtliche Ebene beziehen – aber jetzt möchte ich als Referent für Integration im Stadtrat ein paar grundsätzliche Gedanken formulieren:

Bei Integration ist ein wesentlicher Bestandteil, dass jede Gemeinschaft ihre Religion so ausüben kann, wie sie möchte. Das ist auch durch die Religionsfreiheit im Grundgesetz gedeckt. In Memmingen wurde deshalb ein interkultureller Kalender aller Religionsgemeinschaften entwickelt. Ich habe welche dabei.

Bei keiner anderen Religionsgemeinschaft würde es diese Diskussion geben, wir haben ja immer wieder Anträge zu Kirchen und Kirchengebäuden. Es ist ganz speziell der Islam.

Meiner Kenntnis nach wurde noch kein Minarett in Deutschland abgelehnt bzw. verhindert. Memmingen wäre der erste Fall, und das in Memmingen – der Stadt der Freiheitsrechte.

Es geht hier nicht um Religion, es geht um den Islam, es geht meiner Meinung auch um Ausländerfeindlichkeit – nicht hier bei den Mitgliedern im Stadtrat, aber leider bei einigen Mitbürgern.

Es wird auch immer die Angst vor einem Bürgerbegehren angesprochen. Diese Angst kann ich in keinster Weise mehr nachvollziehen. Wir lassen uns von rechts treiben.

Es ist höchste Zeit, dass wir uns ganz klar und unmissverständlich positionieren

  • für Rechtsstaatlichkeit
  • für Demokratie und Menschenrechte
  • für Freiheit
  • für eine offene und Vielfältige Gesellschaft, 
  • für Integration
  • so wie es unser Grundgesetz vorgibt. 

Und dann auch die entsprechenden Entscheidungen nach Recht und Gesetz treffen Und dies auch nach außen vertreten.

Ich frage mich: wo soll das denn alles enden: 

  • weil die Mehrheit der Bevölkerung das angeblich will, lehnen wir das Minarett ab und verlassen die rechtliche Ebene
  • Was, wenn die Mehrheit will, dass 1,5 Millionen Menschen – wie von rechtsextremen Kreisen diskutiert – aus Deutschland ausgewiesen werden – stimmen wir dem auch zu?
  • was, wenn unsere jüdischen Mitbürger noch mehr angefeindet werden als aktuell schon, und die Mehrheit das gut findet – finden wir das auch gut?

Es braucht dringend eine klare Kante gegen Rechts, kein Rumgeeiere, kein Lavieren. Daher vor allem ein klares Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit und für das Minarett.

Wir müssen aufklären und für unsere Demokratie eintreten, ja kämpfen. Und das zeigt sich nicht nur in schönen Reden, sondern auch in klaren Beschlüssen. Von daher wäre der einzige logische Beschluss 38:2 für das Minarett.

Es gab eine lange und sachlich geführte Diskussion. Bei der Abstimmung am Ende stand es sieben zu sieben und ist damit abgelehnt. Entscheidend war die Stimme der ÖDP, die in der Fraktion gespalten ist. Anstatt des regulären Vertreters Michael Rampp (der im Integrationsbeirat für das Minarett gestimmt hat), war sein Stellvertreter Michael Hartge da, der gegen das Minarett stimmte. Die SPD, Grüne/Linke und eine Vertreterin von CSU stimmten dafür.

Von CSU, FW und CRB gabe es zum Teil seltsame Argumentation. „Wir sollten und nicht hinter dem Baurecht verastecken“, die „Mehrheit der Bürger ist dagegen“, „80% der Moscheen in Deutschland haben kein Minarett“ und DITIP – wird von der Türkei finanziert und gelenkt.

Am Montag den 29.01.24 wird es im Planum behandelt, da werde ich dann auf alle Argumente eingehen.

Hier mein Redebeitrag:

Die Verwaltung hat nach gründlicher und langer Überprüfung überzeugend dargelegt, dass es genehmigungsfähig ist, ja nach rechtlicher Grundlage genehmigt werden muss. Wir sollten uns an geltendes Recht halten? Eine Klage dagegen hätte Aussicht auf großen Erfolg. Und soll sich die Stadt auf einen jahrelangen Rechtsstreit einlassen, der viel Geld kostet, von den sonstigen Auswirkungen ganz abgesehen?

Wenn wir den Rechtsweg verlassen und uns auf Gefühle und Stimmung einlassen, begeben wir uns gefährliches Terrain.

Beispiel Kempter Hof: er wurde von OB und Verwaltung nach Ablehnung im Bauausschuss ins Plenum gebracht, mit der Begründung. dass mit der Ablehnung geltendes Recht verletzt wird und dringend gebeten zuzustimmen. um einen Rechtsstreit zu verhindern. Beispiel Verfüllung Lehmgrube Hackenbach. Wir haben durch unseren Verein Unterschriften gesammelt – 62% haben gegen die Verfüllung unterschrieben. Wir haben diese Unterschriften dem Landratsamt übergeben, danach einen Zeitungsartikel veröffentlicht mit der Aussage, dass die Bürger das nicht wollen und daher abgelehnt werden muss. Ich bekam einen erbosten Anruf vom Juristen des Landratsamtes und vom Landrat selbst, dass hier nach Recht und Gesetz entschieden wird und nicht nach dem “Befinden der Menschen” – so habe sie sich ausgedrückt. Und es ist auch richtig so.

Zur Bebauungsplan-Änderung und Veränderungssperre. Dies halten wir für sehr problematisch. Eine Änderung nur um was zu verhindern, darf es nicht geben – das wurde uns hier immer wieder gesagt. Und hier schaut es schon sehr nach Verhinderung aus, wenn man sich die vielen Diskussionen vorher anschaut und vor allem, weil auch dargestellt wurde, dass es rechtlich genehmigt werden muss.