Alles Haushalt oder was?
Nein – es gab auch noch andere Themen:
- Jahresabschluss Stadtwerke 2022
- Wirtschaftsplan 2024 Stadtwerke
- Hebesätze Grundsteuer ab 01.01.2024
- Hebesätze Gewerbesteuer ab 01.01.2024
Über die Stadtwerke werden wir einen eigenen Bericht schreiben, das finden wir wichtig.
Grundsteuer und Gewerbesteuer haben dann aber direkt mit dem Haushalt zu tun. Wir werden deshalb hier berichten.

Ein Jahr OB für Jan Rothenbacher, der erste Haushalt für OB Rothenbacher – der Haushalt 2023 hatte ja nicht viel mit ihm zu tun.
Es war im Vorfeld schon spannend ob bei diesem Haushalt in irgendeiner Form die Handschrift von OB Rothenbacher sichtbar wird. In einer wahrlich schwierigen Zeit: klamme Kassen, viel Aufgaben, daher viel Personal in der Stadt. Es gab diese Diskussion schon in den letzten Jahren – vor allem von CSU/FW/CRB: Die Ausgabenseite muss entlastet werden. Wir finden, das stimmt, aber genauso muss die Einnahmeseite gestärkt werden.
Das Wichtigste vorne weg
HIER die Präsentation des Haushalts 2024 von Kämmerer Markus Weiss
Trotz der wichtigen und wegweisenden Entscheidungen fehlten 7 Stadträt*innen, 32 waren anwesend. Die Grün/Linke Fraktion. die ÖDP waren vollständig vertreten. Bei der SPD fehlte ein Stadtrat.
Die Abstimmungen:
- Die Grundsteuer wurde mit 30 : 3 Stimmen angenommen
- Die Gewerbesteuer wurde mit 22 : 11 Stimmen angenommen
- Der Haushalt und alle seine Teile wurden mit jeweils 29 : 4 Stimmen angenommen.
Dies war ein großer Erfolg für den neuen Kämmerer Weiss und für OB Rothenbacher. Es war auch eine Leistung, 14 Millionen Einsparungen zu erreichen, eine Gewerbesteuer-Erhöhung durchzubekommen und die stetig steigenden Personalkosten zu stoppen und umzudrehen.
Der Hauhalt und unsere Fraktion
HIER die Rede unserer Fraktion Grüne/Linke unseres Vorsitzenden Dieter Buchberger. Sie fasst recht gut unsere Position zusammen. In einem eigenen Artikel wird dann die Position von Der Linken noch präzisiert und zusammengefasst.
Der Haushalt unserer Stadt ist in vielerlei Hinsicht neu und ungewöhnlich.
Erstmalig waren wir Stadträtinnen nicht nur zur Abstimmung, sondern auch zur Erarbeitung gefragt. In einem von OB und Verwaltung selbst moderierten Samstagsworkshop hatten wir sehr gute Gespräche und einen guten Austausch, konnten in Kleingruppen fraktionsübergreifend diskutieren und Haushaltsvorschläge machen. Wir empfanden dies als partizipativ und inspirierend. Unsere Fraktion möchte sich hierfür ausdrücklich bedanken.
Bereits in 2027 wird unsere Verschuldung mit 120 Millionen Euro dreimal so hoch sein, wie sie je war. Wenn man nun glaubt, dass da ein neuer OB seine Wünsche umsetzten wollte, so irrt man gewaltig. Es ist fast nur die Last der Beschlüsse der vergangenen Jahre. Mit viel Mut gingen Kämmerei und OB sogar mit der Verwaltung daran, auch Rest-Etats aus vergangen Jahren und Verpflichtungsermächtigungen zu kürzen. Dies verdient unseren Respekt.
Die Ablehnung der vergangenen Haushalte durch unsere Fraktion erweist sich als absolut richtig, denn wir mahnten seit Jahren eine Haushaltsplanung über die drei vorgeschriebenen Jahre hinaus an und forderten mehr Sparsamkeit. Diese Sparsamkeit kommt nun, spät und dafür umso heftiger. Doch es hilft nicht, in die Vergangenheit zu blicken. Konzentrieren wir uns auf die Zukunft. Wir führen fort, was wir die letzten Jahre auf den Weg gebracht haben. Im besonderen Maße, auch wenn wir da als Stadt nur teilweise finanzieren, sind dies das neue Klinikum und das neue Bad. Wir hoffen, dass wir mit Fertigstellung des Amendinger Rathauses auch das Kapitel Baukostenüberschreitungen schließen können und die Verantwortlichen ihre Lehren daraus gezogen haben.
Was ist nun neu? Neu ist, dass mit Verwaltungsvereinfachungen begonnen wurde. Dies zeigt sich zunächst nur an Kleinigkeiten, aber es zeigt sich. Nicht gelesene Wortprotokolle werden nicht mehr erstellt, Gebührenrechnungen, die mehr kosten, als die Gebühr bringt, werden nicht mehr erstellt und und und. Nicht alles dringt bis zu uns in den Stadtrat durch, denn die operative Organisation ist das Hoheitsgebiet des OB, der hier vom neuen Kämmerer kräftig unterstützt wird. Von Ende 2023 bis heute gelang es im Rahmen der Haushaltsaufstellung durch Verwaltungsvereinfachungen, Verzicht bzw. Verschiebung von Unterhaltsmaßnahmen und durch eine restriktive Personalpolitik Einsparungen von sage und schreibe 14 Millionen Euro zu realisieren.
Erstmals nach vielen Jahren massiven Personalaufbaus gelang es, diesen zu stoppen und durch Umorganisation und teilweisen Verzicht auf Neubesetzungen im Verwaltungsbereich sogar Stellen einzusparen. Doch wir haben auch keine andere Wahl. Der vorletzte Haushalt, der des Jahres 2022, war in meiner nun schon fast dreißigjährigen Stadtratszeit in zwei verschiedenen Städten der erste Haushalt, der von der Aufsichtsbehörde nicht genehmigt wurde. Letztes Jahr hatten wir Schonzeit wegen des OB-Wechsels und des fehlenden Personals in der Kämmerei und nun müssen wir Einsparungen liefern und zwar ganz gewaltig.
Angesichts dieser völlig verfahrenen Situation konnte mit Einsparungen allein keine Haushaltsdeckung erreicht werden und so MUSSTE nun erstmalig nach längerer Zeit auch die Einnahmenseite einer Prüfung unterzogen werden. Dieser Schritt war schon längst überfällig, doch früher fehlte der Mut und vielleicht auch die Arbeitslust. So wurden in akribischer Kleinarbeit Gebührenordnungen und –satzungen überprüft und so manche seit 20 Jahren nicht mehr erhöhte Gebühr nun an aktuelle Gegebenheiten angepasst. Dies betrifft in erster Linie unser Bürgerinnen. Wir erhöhen nun z.B. die seit über 20 Jahren konstanten Parkgebühren im öffentlichen Straßenraum. Dadurch wollen wir erreichen, dass die Parkhäuser, die immer noch extrem niedrige Gebühren und fast immer viele freie Plätze haben stärker genutzt werden, damit wir im Straßenraum den ein oder anderen Baum zusätzlich pflanzen können, um das Einkaufen auch in der Sommerhitze noch etwas
attraktiv zu machen. Neben der Erhöhung von Eintrittsgeldern müssen Mieterinnen und Eigentümerinnen auch mit Kostensteigerungen durch die höhere Grundsteuer rechnen.
Wenn wir unseren Bürgern nun mehr Geld aus den Taschen holen, dann vor allem mit dem Zweck, dieses Geld in die Bildung zu stecken. Nachdem die Edith-Stein-Schule fast fertig ist, gehen wir an die beruflichen Schulen, sanieren diese und sorgen dafür, dass unsere Wirtschaft mit gut ausgebildeten und motivierten jungen Menschen versorgt wird. Wir sind glücklich, dass OB Jan Rothenbacher unsere uralten Forderungen aufgegriffen hat und im mittelfristigen Haushalt 40 Millionen Euro dafür vorgesehen hat. Dies ist ein starkes Signal an unsere Jugend und an unsere Wirtschaft.
Kommen wir zu einem für die Finanzen wichtigen Punkt des diesjährigen Haushalts, die
Gewerbesteuererhöhung.Memmingen hat die zweitniedrigste Gewerbesteuer aller bayrischen Oberzentren. Es ist aber das einzige bayerische Oberzentrum mit einem Regionalflughafen, ein Oberzentrum, das gleichzeitig an einem wichtigen Autobahn- und Eisenbahnkreuz sitzt. Wir bauen das größte nichtuniversitäre Klinikum Bayerns und das größte Kombibad in Schwaben. Wer nun glaubt, all diese Superlative wären kostenlos und ließen sich mit warmen Worten bezahlen, der irrt. Die verkehrliche Anbindung ist, durch viele IHK-Umfragen erwiesen, das wichtigste Standortkriterium für Firmen. Auch weiche Faktoren wie Nachverkehr, Klinikum, schöne Altstadt, tolle Naherholungsräume, Bad stehen oben auf der Wunschliste von Firmen. Wenn nun mit Absiedlung gedroht wird, so hören wir die Botschaft, allein uns fehlt der Glaube. Wenn eine Firma mit z.B. 10 Millionen Gewinn behauptet, sie würde wegen 150.000 Euro mehr Gewerbesteuer umsiedeln und 1.000 Mitarbeiter und ihre Werkshallen zurücklassen, so ist das wenig glaubhaft.
Als vor knapp 20 Jahren die Körperschaftsteuer um 40‘% gesenkt wurde, hat MM im Gegensatz zu unseren Nachbarstädten die Gewerbesteuer nicht erhöht. Zwanzig Jahre haben wir Schulsanierungen geschoben, um unseren Firmen mehr Gewinne zu lassen. Nur zum Vergleich: Neu–Ulm hat schon lange 360%, Kempten 387%, Lindau 410%, Augsburg 470% und die Firma Ehrmann in der kleinen Gemeinde Lauben muss 380% zahlen.
Wenn Firmen nun doch Teile ihrer Produktion und ihren Briefkasten ins Umland verlagern, so ist das eben so. Dann wandert ein Teil der Gewerbesteuer analog zu den verlagerten Personalkosten ab. Obwohl Firmen dann vielleicht in Ungerhausen und Wolfertschwenden statt in MM Gewerbesteuer zahlen, werden diese Gemeinden weder ein Klinikum, noch ein Kombibad, noch große weiterführende Schulen bauen. Alles bleibt an uns als Oberzentrum hängen. Das von der CSU im Rahmen der Landesentwicklungsplanung 2017 gegen großen Widerstand gelockerte Anbindegebot für Gewerbegebiete fördert die Zersiedelung der Landschaft und das Ausbluten von Oberzentren. Ohne oberzentrale Funktionen zerlegt sich aber unser Bayern. Kollege Holetschek, sie sehen hier, welche Blüten Ihr Gesetz treibt. Sorgen Sie bitte dafür, dass die Oberzentren nicht länger demontiert werden.
Uns wurde signalisiert, dass einige Stadtratskolleginnen die geplante Gewerbesteuer reduzieren wollen. Wir sind gespannt, an welchen Stellen diese Kolleginnen die dann fehlenden rund 16 Millionen Euro für die zu beschließenden 4 Haushaltsjahre einsparen wollen. Allgemeinplätze helfen uns in der Diskussion heute nicht. Wir konnten von Anfang Januar bis heute unsere konkreten Vorschläge einbringen und haben dies auch getan. Wir sind überzeugt, dass auch heute unser Kämmerer sich nicht gegen konkrete Einsparvorschläge wehren wird.
Auch wir würden uns wünschen einen Haushalt voller Wohltaten zu beschließen, doch lässt die Vergangenheit das nicht zu. Nun ist es an uns, unsere Mitbürger*innen auf unserem Sanierungskurs mitzunehmen, ihnen die Hintergründe zu erklären und auch weniger angenehme Diskussionen zu führen.
Wir werden unseren Teil dazu beitragen und stimmen dem Haushalt geschlossen zu.
HIER die Rede als PDF zum Ausdrucken
Wir werden in den nächsten Tagen den Bericht ergänzen mit Stichpunkten aus der Haushaltsrede von OB Rothenbacher und mit Stichpunkten der Reden der Fraktionsvorsitzenden. Und es wird eine eigenen Einschätzung von mir geben.
Die Haushaltsrede OB
Die erste Haushaltsrede von OB Rothenbacher war in unseren Augen eine gute Rede, weil er die Aufgabe, die Anforderungen und die neuen Ausrichtung sehr gut zusammenfasste.
Hier die wichtigsten Stichpunkte:
- Die Aufgaben sind riesig, der Investitionsbedarf extrem hoch, in Gebäude (Sanierung der Gebäude der Stadt, Sanierung der Schulen), Neubau Kombibad, Neubau Klinikum. Memmingen ist auch eine wachsende Stadt, daher mehr Kindergärten, mehr Schulen.
- es gab in der Finanzverwaltung einen großen Wechsel (neuer Kämmerer, viele Umbesetzung)
- Dies bot auch die Chance mit neuem OB und neuem Kämmerer eine strategische Neuausrichtung anzugehen: mehr Transparenz, den Stadtrat in die Überlegungen schon im Vorfeld mit einzubeziehen, die Festlegung von klaren Zielen und Vorgaben, ganz grundsätzlich alle Strukturen zu überprüfen, alle Gebühren zu untersuchen und zu optimieren
- Die Umsatzsteuerpflicht für Kommunen ist eine große Herausforderung und eine große Aufgabe
- Die konjunkturelle Schwäche der Wirtschaft trifft auf hohe Investitionen. Viele Gebäude (Schulen) wurden in den 60/70er Jahren errichtet und müssen jetzt aufwändig saniert werden
- Start in die Haushaltsberatungen: 14 Millionen Defizit im Verwaltungshaushalt. Der Haushalt wäre in dieser Form nicht genehmigungsfähig gewesen
- Dann: Einsparungen von 14 Millionen in allen Bereichen durch viele Gespräche mit allen Beteiligten Referaten.
- Die Personalkosten wurden um 2% gesenkt, das ist nicht viel, aber der Ansteig wurde umgedreht
- Aber: ohne Erhöhung von Gebühren, Grundsteuer und Gewerbesteuer wäre ein rechtskonformer Haushalt nicht möglich. Es wurde durch die Einsparungen aber eine möglichst geringe Erhöhung der Gebühren und Steuern möglich
- Trotzdem werden sich die Schulden der Stadt mittelfristig auf 120 Millionen anhäufen
- Daher: Einsparungen und Umstrukturierung sind eine immerwährende Aufgabe, auch in den nächsten Jahren: denn 120 Millionen Schulden sind nicht tragbar
- zu Gewerbesteuer: es gab viele Gespräche mit IHK, Handwerkskammer, Firmen zur Erhöhung der Gewerbesteuer, Hauptschwierigkeit für Unternehmen ist nicht die Steuer, sondern die Bürokratie. Die können wir als Stadt bewusst angehen und beeinflussen. Es gilt die Belastung von den jetzt Lebenden und die Menschen, die in Zukunft leben auszumitteln, eine bestmögliche Ausmittelung von Gegenwart und Zukunft, von Investition und Schulden, von Erhöhung von Gebühren/Steuern und Sicherheit. Industrie und Gewerbe brauchen Sicherheit, darum ist eine Erhöhung der Gewerbesteuer ein behutsam einzusetzendes Instrument
- Die Stadt (OB und Verwaltung) wollen eine aktive Gestaltung der Herausforderungen
- Die Lage ist schwierig, aber Memmingen ist in einer guten Lage und kann die Herausforderungen aus eigener Kraft schaffen
- Ob Rothenbacher bedankte sich für die gute Zusammenarbeit im Stadtrat, die manchmal harte aber immer konstruktive Auseinandersetzung.
[…] Buchberger (Grün/Linke): Die Haushaltsrede steht im vorherigen Artikel. Hier noch einige Anmerkungen: Wichtig in den nächsten Jahre wird der […]
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