Der unten stehende offene Brief wurde zwar bereits im Dezember 2020 verschickt.
Die Kulturredaktion der Memminger Zeitung soll aufgelöst werden. Aus diesem Grunde haben sich der Kulturamtsleiter der Stadt Memmingen Dr- Hans-Wolfgang Bayer, Dr. Axel Lapp – Leiter der MEWO Kunsthalle / Strigel- und Antoniter-Museum, Dr. Kathrin Mädler – Landestheater Schwaben und Matthias Ressler – Kaminwerk, Memmingen in einem offenen Brief an die Memminger Zeitung gewandt.

Hier der Wortlaut:
Memmingen, den 22. Dezember 2020 – Offener Brief (per E-Mail)
An:
Markus Brehm / Rolf Grummel
Geschäftsführer Allgäuer Zeitung
Ulrich Hagemeier
Redaktionsleiter Allgäuer Zeitung
Reiner Elsinger
Verlagsleiter Allgäuer Zeitug
Thomas Schwarz
Leiter der Lokalredaktion Memminger Zeitung
Nachrichtlich:
Manfred Schilder
Oberbürgermeister der Stadt Memmingen
Sehr geehrte Herren,
mit großer Besorgnis haben wir in den letzten Tagen unterschiedliche Berichte von Planungen gehört, die Kulturredaktion der Memminger Zeitung aufzulösen, die dezidierten Kulturseiten einzustellen und in die allgemeine Lokalberichterstattung zu integrieren. Eine solche Entwicklung zeichnet sich bereits im Fehlen des Kulturteils in den letzten Wochen ab. Sollten die Meldungen zutreffen, so bitten wir Sie eindringlich, diese Entscheidung zu überdenken!
Das Kulturressort der Memminger Zeitung hat unter der Leitung von Brigitte Hefele-Beitlich ein hervorragendes Niveau. Kultureller Sachverstand und kulturjournalistisches Können zeichnen die Kulturberichterstattung und Kulturkritik aus – bei weitem keine Selbstverständlichkeit in Lokalzeitungen und damit ein Alleinstellungsmerkmal, auf das die Zeitung stolz sein sollte. Die Kulturredaktion ist kompetenter Ansprechpartner für die Kulturschaffenden der Region und Impulsgeber für den kulturellen Austausch. Dieser Sachverstand wird bei einer Vermischung der Ressorts verloren gehen, dabei ist die Kulturberichterstattung darauf angewiesen. Zwar steht das kulturelle Angebot allen offen, doch gerade deshalb ist es umso wichtiger, dass Fachleute darüber schreiben, die es einzuordnen wissen. Niemals würde eine Redaktion jemanden von einem Fußballspiel berichten lassen, der keine Ahnung von den Regeln hat.
Mit einer dauerhaften Einstellung der Kulturseiten ginge aber nicht nur journalistische Qualität verloren. Diese Einstellung wäre auch kulturpolitisch ein desaströses Zeichen in einer Zeit, in der wir uns als Gesellschaft sehr bewusst über die Bedeutung von Kultur für unser Zusammenleben sein sollten: Kultur ist ein integraler Bestandteil unseres Gemeinwesens, Möglichkeit des Austauschs und damit Gegenmodell zu Polarisierung und Populismus. Gerade in der momentanen Pandemiesituation, in der die Kultur in die Unsichtbarkeit gedrängt wird, müssen Kulturschaffende und der Kulturjournalismus gemeinsam daran arbeiten, auf die identitäts- und sinnstiftende Wirkung von Kultur hinzuweisen. Die Degradierung einer Kulturredaktion in dieser Zeit erschiene beinahe zynisch.
Wir hielten es für besonders bedenklich und auch für eine Geringschätzung des Kulturschaffens in unserer Region, die Kultur gerade in der Memminger Zeitung in ihrer Bedeutung herunterzustufen: Memmingen ist durch ein außergewöhnlich vielfältiges und attraktives Kulturangebot geprägt, das mit dem Landestheater Schwaben und der MEWO Kunsthalle, mit dem Kaminwerk und der Memminger Meile regionale wie überregionale Strahlkraft besitzt.
Künstler*innen und Kulturanbieter*innen sind auf eine öffentliche Ankündigung und Diskussion ihrer Arbeit angewiesen. Aus den Rezensionen und Berichten entwickelt sich ein gesellschaftlicher Diskurs, aber auch eine Nachfrage. Gerade junge Künstler*innen und neue Formate brauchen diese journalistische Plattform. Kunst ist fragil. Für junge Künstler*innen und neue künstlerische Formate ist es schon jetzt schwierig genug, Aufmerksamkeit zu erhalten und ein Publikum zu finden. Wie viel schwieriger wird es, wenn sie sich auch noch gegen Vereinsnachrichten und Berichte aus den Stadtteilen durchsetzen müssen.
Die Einstellung des Kulturteils wird direkte Auswirkungen auf das kulturelle Leben der Stadt Memmingen haben. Bitte lassen Sie uns die Qualität des Kulturlebens und der Kulturberichterstattung gemeinsam erhalten!
Hochachtungsvoll,
Ihre
Dr. Hans-Wolfgang Bayer (Kulturamt der Stadt Memmingen)
Dr. Axel Lapp (MEWO Kunsthalle / Strigel- und Antoniter-Museum)
Dr. Kathrin Mädler (Landestheater Schwaben)
Matthias Ressler (Kaminwerk, Memmingen)
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