04.05.2020 – Rede Dieter Buchberger

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Anwesende

Der Beschluss der Geschäftsordnung ist immer etwas Besonderes. Als Hilfe gibt es eine Mustergeschäftsordnung, Vorschläge des bayerischen Städte- und Gemeindetags und die Vorgängersatzung. Abweichungen gibt es in begründeten Ausnahmen. Wir stimmen fast allen Abweichungen und Änderungen zu, nicht aber dem Verfahren zur Verteilung der Ausschuss-Sitze.

Warum: Das d’Hondtsche Verfahren wurde im Kern 1792 von Präsident Jefferson in den USA erstmalig angewandt und von d’Hondt in Belgien um 1860 herum noch einmal überarbeitet. Parallel dazu bildete sich – weil es gerechter war – bereits das Verfahren von Hare/Niemeyer heraus, das von 1985 bis 2008 für den Bundestag angewandt wurde. Da auch dies Schwächen hat, wurde es dort 2008 durch das Verfahren von Saint-Lague/Schepers ersetzt. In Bayern wurde am 19.Juli 1992 das d‘Hondt-Verfahren vom Verfassungsgerichtshof wegen offensichtlicher Bevorzugung großer Parteien für die Landtagswahl als unzulässig erklärt. Seitdem verwendet Bayern im Landtag das Hare/Niemeyer-Verfahren. 

2014 wurde Hare/Niemeyer auf Beschluss der Staatsregierung auch für die Sitzzuteilung in Kommunen verwendet. Die CSU-Fraktion im Landtag wollte dies 2017 zurück auf d‘Hondt ändern und scheiterte damit an Ihrem damaligen Parteichef Seehofer und an mehreren wissenschaftlichen Gutachten die allesamt zeigten, dass dieses Verfahren undemokratisch ist. Als Ergebnis des Änderungsantrags wurde 1998 Saint-Lague/Schepers für die Sitzermittlung in den Kommunen verbindlich gemacht. Für die Besetzung der Ausschüsse wurde dies versäumt. Hierfür gibt es keine verbindliche Regelung. In Memmingen wurden die Ausschüsse 2014 nach Hare/Niemeyer besetzt, wofür ÖDP und Grüne mindestens drei Wahlperioden gekämpft haben. 

Logisch wäre es, nun das für die Sitzverteilung bereits vorgeschriebene Verfahren von Saint-Lague/Schepers zu verwenden. Doch stattdessen lautet der Vorschlag der Verwaltung auf „zurück nach d’Hondt“, obwohl wir dies wegen der Fehlerhaftigkeit in den 3er und 6er Gremien nicht anwenden dürfen. Hier wird Hare/Niemeyer vorgeschlagen. Das lässt jede Geradlinigkeit vermissen und ist undemokratisch. Ich will das an zwei Beispielen aus einem beschließenden 14er Ausschuss, dem Haushalts- und Finanzausschuss, kurz erläutern. 

Grüne/Linke haben mehr als halb so viele Wählerstimmen wie die CSU/FDP und halb so viele Stadtratssitze. Da wäre es doch logisch, dass wir auch mindestens halb so viele Sitze wie CSU/FDP im Ausschuss haben. Wir haben 2 Sitze und nach d‘Hondt hat die CSU/FDP 5 statt 4 Sitze. Wenn man dann die ÖDP und den CRB betrachtet wird das noch absurder. Beide haben 4 Stadtratssitze, die CSU/FDP 12. Das ist ein Verhältnis von 1 zu 3. ÖDP und CRB erhalten 1 Ausschuss-Sitz, CSU/FDP die erwähnten 5. Wer nun erklären will, dass 1/5 näher bei 1/3 ist, der hat weder in Demokratie noch in Mathematik aufgepasst. Dies bildet aber weder den Wählerwillen noch die Sitzverteilung im Stadtrat ab, sondern ist zutiefst undemokratisch und überhöht die Macht der CSU/FDP.

In diesem Stadtrat sitzen viele neue und junge Kolleg*innen, die ihren Wähler*innen versprochen haben alte Zöpfe abzuschneiden. Ich hoffe, dass diese nicht alte Zöpfe durch noch ältere Zöpfe ersetzen. Ein Zurück zu d’Hondt ist ein Zurück in die Steinzeit der Demokratie und verdient wissenschaftlich die Note 6. 

Kolleginnen und Kollegen bitte beginnen Sie den Eintritt in die neue Wahlperiode nicht mit einem derartigen Rückschritt. Wenn speziell die Jungen unter uns das machen, dann enttäuschen sie all diejenigen, die sich von ihnen eine Entwicklung unserer Stadt nach vorne erwartet haben. Wir alle