WILLY 2020, KONSTANTIN WECKER.
Konstantin Wecker hat zur Corana – Krise eine neue Version (keine Ahnung die wievielte) seines Liedes Willy veröffentlicht.
HIER gehts zur Interentseite von Konstantin Wecker.
„Mei Willy, Du kannst dir nicht vorstellen was hier grad los ist.
Die Welt ist von einem Virus befallen und alles,
was bisher gültig war, ist auf den Kopf gestellt.
TEXTMei Willy, jetzt muass i di – i glaub bestimmt
zum 10. Mal – in deiner Grabesruhe stören. Ich
muss dir des erzählen. Die Welt hat sich mit einem
Schlag verändert. Die ganze Welt. Du kannst dir
nicht vorstellen was hier grad los ist. Die Welt
ist von einem Virus befallen und alles, was bisher
gültig war, ist auf den Kopf gestellt.
Um uns gegenseitig zu schützen, haben wir seit
Wochen Konzerte, Partys und Versammlungen
abgesagt. Wir haben aus Solidarität und
Verantwortungsgefühl für alle Menschen weltweit
gehandelt.
Und als alter Anarcho muss ich dir sagen:
Meine persönliche Freiheit möchte ich mir selbst
beschneiden und nicht von einem Herrn Söder oder
Kurz oder Macron beschneiden lassen, den ich nie
in meinem Leben gewählt hätte. Pfeifen wir auf das
Patriarchat!
Es muss nicht immer Party sein im Leben, Willy,
und grad du verstehst des sicher, hast du doch
dein Leben riskiert, um Faschisten deine Meinung
zu sagen.
Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik sind
die Grundrechte so umfassend und so radikal
eingeschränkt worden.
Und was mir besonders Angst macht, mein Freund,
ist, dass es zum Beispiel nie eine Diskussion
gegeben hat über „Alternativen zur Aussetzung der
Grundrechte“, wie es Heribert Prantl zu Recht
schreibt.
Und gerade all diesen Politikmachos, die sich
derzeit so als Überväter aufspielen weltweit,
traue ich jederzeit zu, dass sie diesen Zustand
der Angst und Einschränkung nur allzu gern
behalten wollen. Diesen Zustand eines Staates in
dem Demonstrationen verboten sind und Kultur in
den tiefsten Schubladen der Bürokratie verschwindet.
Wir müssen aufpassen Willy, höllisch aufpassen.
GESTERN HABNS DIE FREIHEIT BEGRABEN UND HEIT….
Und heit Willy? Aber vielleicht bin ich ja jetzt
trotzdem meinem Traum von einer herrschaftsfreien,
liebevollen und solidarischen Welt näher als
jemals zuvor? Meinem Traum von einer Gesellschaft
ohne Ausbeuter und neoliberale Profiteure, ohne
Waffenhändler und ohne Faschisten, Rassisten und
Kriegstreiber.
Vielleicht erkennen erst jetzt viele Menschen
diese neoliberale Diktatur, der sie jahrzehntelang
aufgesessen sind?
Unsere ach so fürsorglichen Politiker haben über
Jahrzehnte die Gesundheitssysteme zum Zwecke
maximaler Profite kaputt privatisiert und vor
allem haben sie keinen Plan zum Schutz aller
Menschen für eine solche Krise vorbereitet;
vielleicht einfach, weil sie daran nichts verdient
hätten.
Statt nach einem starken Führer zu schreien
sollten wir uns selbst an die Hand nehmen und
aufpassen, dass wir nicht denen, die sich jetzt
als Herren über jedes Gesetz aufspielen, in
Zukunft vertrauen. Für viele Herrschenden ist doch
das was zurzeit passiert eben auch eine perfekte
Übung für den dauerhaften Ausnahmezustand oder den
Weg in eine Diktatur.
Wir haben unsere Erde aus reiner Profitgier kaputt
gewirtschaftet und merken gerade, wie sie wieder
etwas atmen kann, in Venedig schwimmen wieder
Fische, ohne Kreuzfahrtschiffe und Partybomber, in
den Großstädten kann man wieder etwas Luft holen,
ja, vielleicht spüren jetzt viele von denen, die
sich noch vor nicht allzu langer Zeit über Greta
lustig gemacht haben, wie recht diese großartige
junge Frau hat?
Vielleicht lernen wir jetzt mal diese so
überlebenswichtige Solidarität von unten?
Wir müssen wieder wagen zu träumen, radikal und
mutig und du weißt es mein Freund – ich hab mich
nie geschämt dafür ein Träumer, ein Spinner zu
sein und als Utopist verlacht zu werden.
Und was ich mir erträume ist mehr als eine Revolution.
Es ist die radikale Umwälzung der Werte unserer
wertlosen Gesellschaft. Es sind Menschen, die
miteinander suchen, hoffen, sündigen, verzeihen.
Menschen die sich anlächeln statt sich im
Wettbewerb um den besseren Job fast umzubringen.
Ich will in keiner Gesellschaft leben, in der all
jene am miesesten entlohnt werden, die die
wirklich wichtige Arbeit verrichten:
KrankenpflegerInnen, HospizarbeiterInnen und ach
so viele mehr. Und wo die unwichtigsten Berufe am
besten bezahlt werden. Ich denke ihr wisst, welche
ich meine.
Und vielleicht verstehen jetzt viele Menschen in
dieser Krise, dass die Güter und Ressourcen dieser
Welt allen gehören sollen: Bildung, Gesundheit,
Wohnung, sauberes Wasser, Essen.
Wie konnten wir jemals zulassen, dass Luft, Erde,
Wasser, oder der genetische Code von Pflanzen und
Tieren zu Privateigentum gemacht wurden und werden?
Jetzt ist die beste Gelegenheit, über Enteignung
zu sprechen.
Mal ganz konkret Willy: Wir sollten endlich die
Türen der jetzt ohnehin nutzlos leerstehenden
Luxushotels in München und Berlin und überall
öffnen für die schutzsuchenden Menschen aus den
Kriegsgebieten dieser Welt! Für die
Schutzsuchenden aus Syrien, aus Kurdistan, aus
Afghanistan, Somalia und Irak, für die
Geflüchteten aus den menschenunwürdigen Lagern an
den EU-Außengrenzen wie in Moria auf Lesbos oder
den Folterlagern in Libyen, die jetzt besonders
schutzlos diesem Virus ausgeliefert sind.
Im Bayerischen Hof in München treffen sich jedes
Jahr die Kriegsstrategen der Nato und die
Rüstungsmanager von Rheinmetall und Heckler &
Koch. Was wäre das doch für ein großes Fest des
Friedens und der Liebe, wenn in diesem Hotel die
traumatisierten Kinder und Familien, die vor den
Waffen und Kriegen dieser Männer des Todes fliehen
mussten, in Frieden leben könnten.
Jetzt ist es an der Zeit, den Stopp aller
Rüstungsproduktionen und Rüstungsexporte zu
fordern und es ist Zeit für einen Waffenstillstand
weltweit, ein Waffenstillstand, der vielleicht den
Menschen zeigen würde, dass Frieden sehr viel
erstrebenswerter ist.
Jetzt ist es an der Zeit auf die wunderbare Hannah
Arendt zu hören: Kein Mensch hat das Recht zu
gehorchen.
Gehorsam kann nie eine Rechtfertigung sein für das
eigene Handeln. Oder Nichthandeln.
Wir sollten weltweit Schulen des Ungehorsams gründen!
Willy, jetzt ist es an der Zeit über die Utopie zu
sprechen einer herrschaftsfreien Welt, wo der
Menschen Miteinander unser Sein zusammenhält.
Jetzt könnten wir erkennen, dass wir alle Wesen
einer Gemeinschaft sind und nicht gemeine Wesen,
zu denen uns der Neoliberalismus immer erziehen
wollte.
Und wir müssen jetzt und sofort unsere Stimme
erheben für die Schutzsuchenden, für die
Geflüchteten, Gefangenen, Obdachlosen.
Vielleicht kommen wir jetzt alle der Erkenntnis
näher, dass wir alle eins sind? Wie ich es seit
vielen Jahren immer wieder singe:
…es ließ mich erkennen
wir sind nicht zu trennen
woher wir auch stammen
wir sind eins und zusammen…“
Wia hast as gsagt damals Willy, vor über einem
halben Jahrhundert:
Freiheit, des hoasst koa Angst habn vor nix und
neamands!
Gestern habns an Willy daschlagn,
aber heit, aber heit aber heit, heit halt ma zsamm.
Gestern habns an Willy daschlagn,
und ab heit, ab heit ab heit halt ma zsamm.

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