Fischerkönigin – die Zeit ist reif!

Wir fangen mit der Geschichte vom Fischertag vor 500 Jahren an. 1525 wurden in Memmingen die 12 Bauernartikel verkündet. Memmingen ist inzwischen stolz darauf, dass hier die ersten demokratischen Forderungen aufgestellt wurden. Diese Artikel gelten als Wiege der Menschenrechte und der Demokratie.

In Artikel 4 z.B. heisst es: ALLE sollen das Recht zum Jagen und Fischen haben.

Ja, wir wissen das war vor 500 Jahren und da waren wahrscheinlich auch nicht die Frauen gemeint, und natürlich, Frauen dürfen heute auch fischen. Aber wäre es nicht endlich Zeit, diesen Artikel 4 wörtlich zu nehmen und gleiche Rechte für Frauen und Männer, für Arme und Reiche, für Junge und Alte durchzusetzen – und Frauen am Fischertag in den Bach springen zu lassen?

Traditionen sind ja im Leben der Menschen wichtig. Und Erinnerung an die Vergangenheit sowieso. Es gibt aber gute und schlechte Traditionen. Es gibt Traditionen die aus der Zeit gefallen sind und dann auch verschwinden,
Und manchmal ist die Zeit reif, neue Traditionen zu beginnen. Wir Linken meinen, die Zeit ist reif für eine Fischerkönigin! Laßt uns doch mutig eine neue Zeit beginnen. Vielleicht wird dann in 500 Jahren dieses Jahr als der Beginn von etwas neuen gefeiert.
Naja, ist vielleicht etwas hoch gegriffen, aber immerhin!

Ob historisch belegbar ist, dass nur Männer den Bach reinigten, ist zumindest umstritten. Aber alle diese Verweise auf frühere Jahrhunderte sind nicht entscheidend. Entscheidend ist die Gegenwart und ob es heute noch in die Zeit passt.

Der Fischertag ist in Memmingen eine sehr, sehr ernste Sache. Und man begibt sich auf „sehr dünnes Eis“ (Margareta Böckh, 2. Bürgermeisterin) wenn darüber eine Diskussion geführt wird.

Eine Frau klagt jetzt dagegen. Das Urteil wird Ende August beim Amtsgericht Memmingen verkündet.

Egal wie das Urteil ausfällt, es wird in die nächsten Instanzen gehen – mit ungewissem Ausgang. Es bleibt spannend.

Wir Linken treten ohne wenn und aber für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern ein. So auch beim Fischertag. Es kann nicht sein, dass man unter dem Deckmantel der Tradition weiterhin Frauen benachteiligt und von gesellschaftlichen Aktionen ausschließt. So wird auch klassisches Rollenverhalten weiter tradiert. Wie soll man denn heute jungen Mädchen erklären, dass sie NICHT wie ihre männlichen Freunde in den Bach „jucken“ dürfen.

Auch dass nahezu alle Memminger Frauen für das Beibehalten der Tradition sind und sich nicht vorstellen können in den Bach zu springen ändert nichts an der Tatsache, dass diese Regeln wie so viele andere vorher und so viele nachher abgeschafft werden müssen.

Erste Fischerkönigin 2020

Dieses Jahr fiel der offizielle Fischertag wegen Corona buchstäblich in den Bach. Daher konnte am Fischertags-Tag fand eine „Kunstaktion“ von Frauen (und einem Mann) stattfinden. Sie warfen sich einen Stofffisch zu und kürten die erste Memminger Fischerkönigin.

Es gab auch eine Rede dazu: „Mei Muattrschdadt isch weit bekannt, ‚Schtadt der Freiheitsrechte‘ nuaidings au gnannt. Ja, Gleichschtellungsbeauftragte, was macha ma jetzt? So a Titel, dr hot ons zu nuia Aktiona aufg‘hetzt.“ Tradition sei ja „schee und reacht“, erklärte sie weiter. „Doch ohne Ausschluss vom andra Gschleacht.“ Die Frauen wollten eben nicht mehr nur „mit Böckh‘s Gretel an Prosecco trinka“, während die Männer den Bach ausfischen.

Die Polizei schritt ein und beendete die Aktion. Die Frauen wurden zum Teil übel beschimpft und bedroht.

Der Memminger Kurier wurde der Aktion der Frauen in der Berichterstattung gerecht. Es wurde ausführlich darüber berichtet. Auf der Seite kann man auch abstimmen, ob die Frauen in den Bach springen dürfen.

HIER der Artikel des Memminger Kuriers

Man kann über den Fischertag anderer Meinung sein, man kann über die Aktion der Frauen anderer Meinung sein – aber beschimpfen und bedrohen geht gar nicht!

Der Fall „Frauen in den Bach“ schlägt Wellen weit über den Wirkungsbereichs des Memminger Stadtbaches hinaus. Hier eine „internationale“ Presseschau:

  • HIER ein Artikel in der SZ vom 03.08.2020
  • HIER ein Artikel im Spiegel-online vom 09.08.2020
  • HIER BR24 – der Bayerische Rundfunk vom 03.08.2020
  • HIER Nau – Schweizer Zeitung – jetzt wirklich international
  • HIER Die Lokale Memmingen

Peta – Tierschutzorganisation – hat Memmingen zur Tier- und frauenfeindlichsten Stadt erklärt. Ziel von Peta ist es, jedem Tier zu einem besseren Leben zu verhelfen. HIER der Artikel zu Memmingen.


Presseerklärung der Partei DIE LINKE in Memmingen zur Debatte um die Kunstaktion „Fischerkönigin“

Der Fischertag ist in Memmingen Tradition, da stimmt auch die Partei DIE LINKE vollkommen zu. Dieses Jahr konnte der Fischertag aufgrund der Corona-Pandemie nicht stattfinden. Junge Menschen nahmen dies zum Anlass, um an ebendiesem Tag mit einer Kunstaktion für die Geschlechtergleichstellung beim Fischertag zu protestieren. 

Aus unserer Sicht darf die Gleichstellung der Geschlechter nicht vor Traditionen Halt machen. Inakzeptabel waren jedoch die Kommentare und Diskussionen im Nachhinein gegenüber den Protestierenden, so wurden diese beschimpft und in den Sozialen Medien teils auf‘s Schlimmste beleidigt. „Hass und Gewalt dürfen in unserer Gesellschaft keine Antwort darauf sein, dass Frauen das fordern, was ihnen gesetzlich zusteht, nämlich die Gleichberechtigung“, so Tatjana Ewert, Frauenbeauftragte der Partei DIE LINKE in Memmingen.

Dabei sind diese Menschen, die Hass in den Familien und Sozialen Medien gegenüber Frauen säen, keinesfalls nur Männer. Geschlechtergleichstellung ist ein Prozess, der noch lange nicht abgeschlossen ist und mit einem gesellschaftlichen Wandel einhergehen muss. Unser Ziel für Memmingen ist, dass wir Menschen inspirieren und Mut machen, für eine bessere Gesellschaft zu kämpfen und Teil eines zukunftsfähigen Gesellschaftsentwurfs zu sein. „Dieses Ziel macht auch vor der Gleichstellung der Geschlechter nicht Halt, auch deshalb haben wir als Partei entschieden, die Klage gegen den Fischertagsverein im Sinne der Gleichstellung zu unterstützen“, so die Gleichstellungsbeauftrage der Partei DIE LINKE in Memmingen, Michaela Just.

Hasskommentare und aggressives Verhalten sind aus unserer Sicht keine legitimen Mittel für die Auseinandersetzung mit Andersdenkenden.

Diese Presseerklärung wurde in keiner Memminger Zeitung veröffentlicht – wie gesagt das Eis ist dünn!

Bild Memminger Kurier – und viele weitere HIER