
Wir Memminger*innen sind mächtig stolz auf unsere Altstadt. Und das auch zurecht. Dass sie geschützt werden muss (vor allem auch nach den vielen „Sünden“ der Vergangenheit) steht ausser Frage. Aber was heisst „schützen“ und was heisst „gestalten“?
Jeder will die Memminger Altstadt schützen, es geht um das wie. Wir sind der Meinung, dass es bereis viel Möglichkeiten gibt, darauf Einfluss zu nehmen.
Die Beschlüsse
Die Erhaltungssatzung wurde einstimmig angenommen. Hier sind auf wenigen Seiten die wesentlichen Punkte erfasst:
- die Altstadt ist in seiner Gesamtheit ein Ensemble
- Geltungsbereich ist die Altstadt mit den Wall- und Grabenanlagen
- Erhaltungsziel: die „Kleinteiligkeit bzw. vorhandene Körnung der umgebenden Bebauungsstruktur zu berücksichtigen. Auf vorhandene Sichtbezüge ist in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen“.
- dann noch Verfahren, Ablehnungsgründe, Ausnahmen
Die Gestaltungsatzung wurde mit 4 Gegenstimmen angenommen. Sie umfasst 9 Seiten. Hier sind zum Teil sehr detailliert die viele Punkte der äusseren Gestaltung festgelegt. Im ersten Teil wird wieder der Geltungsbereich definiert und dann die allgemeinen Grundsätze aus der Erhaltungssatzung
- Dachlandschaft: Satteldächer die sich in das Bild einfügen
- Dachaufbauten: nur Schleppgauben bis 1,3 m Breite
- Fassadengestaltung: Fassadengliederung, Gesimse, Putz, Sockelbereich, Aussendämmung
- Farbe: nach historischem Erscheinungsbild
- Fenster: hier wird die Größe, die Art festgelegt
- Schaufenster: nur im EG, nicht über Eck, Mauerpfeiler mit 40 cm
- Rolläden, Jalousien, Fensterläden: nur Putzbündig im geöffneten Zustand nicht sichtbar
- Markisen: nur über Schufenstern,
- Türen Tore: aus Holz nach überliefertem Vorbild. Breite höchstens 1/3 der Breite des Gebäudes
- Vordächer: nur über Schaufenstern wenn sie sich ins Fassadenbild einfügen
- Einfriedungen: gemauert verputzt mit Abdeckung aus Ziegel, Naturstein
- Balkone, Altane, Wintergärten: nicht an öffentlicher Straßenseite
- Photovoltaik: dürfen von öffentlichen Straßen aus nicht sichtbar sein, oder sie müssen sich ins Dach einffügen
- Antennen: dürfen von öffentlichen Straßen nicht sichtbar sein
Abweichung können erteilt werden, wenn „das Ziel der Satzung, nämlich das charakteristische Erscheinungsbild des Altstadt-Ensembles zu erhalten, nicht beeinträchtigt wird“
Ordnungswidrigkeit: mit Geldbusse bis zu 500.000,00 € wenn den Bestimmungen der Satzung zuwider gehandelt wird.
Gründe, warum ich dagegen war
Hier waren wir in der Fraktion unterschiedlicher Meinung. Die Grünen-Mitglieder der Fraktion stimmten dafür, ich dagegen.
Dabei sind einzelne Bestimmungen (z.B. Größe der Gauben, Photovoltaik…) nicht so mein Thema, mir geht es um Grundsätzliches.
Es kann schon auf vielen Ebenen Einfluss genommen werden
- dadurch das die Gesamte Innenstadt unter Ensembleschutz steht, ist schon ausreichend Einfluss auf die Gestaltung möglich
- ein großer Teil der Gebäude steht unter Denkmalschutz: da kann noch erheblich mehr Einfluss genommen werden
- durch die Erhaltungssatzung wird noch einmal deutlich auf das Ziel und die Vorgaben hingewiesen
- es gibt den Gestaltungsbeirat mit hoher Autorität: dem können alle strittigen Punkte vorgelegt werden und dann eine fundierte Entscheidung getroffen werden
weitere Gründe
- es wird moderne Gestaltung erschwert: z.B Stadthaus am Ulmer Münsterplatz
- das Rosenviertel wäre als „Labor“ möglich, alte mit neuem zu verbinden, dies wird durch diese Satzung erschwert
- der Verwaltungsaufwand wird meiner Meinung nach nicht kleiner, sondern eher größer. Nicht umsonst wird die „Regulierungswut“ in Deutschland als Hindernis gesehen
- da es Ausnahmen ausdrücklich gibt, wird interessant sein zu verfolgen, wem Ausnahmen genehmigt werden und wem nicht. Die Gefahr ist groß, dass einflussreiche Personen eher Ausnahmen bekommen als andere
- genauso bei Ordnungswidrigkeiten: wer muss rückbauen, wer muss wie viel Strafe zahlen. Wie transparent ist das alles.
- alle reden von Bürokratieabbau, hier geschieht das Gegenteil. Für jedes Dachfenster muss jetzt eine Genehmigung eingeholt werden.
Es stimmt, wir Linke wollen viel regulieren und gestalten. Wir wollen viele Entscheidungen nicht „dem Markt“ überlassen. Der „Markt“ regelt tatsächlich alles, aber vieles nicht zugunsten der Bürger*innen. Hier wollen wir eingreifen.
Aber bei der Altstadt gibt es unsrer Meinung nach genügend Regularien, man muss sie nur anwenden.
Die Aussage, „gute Architekten“ können mit diesen Satzungen gute Ergebnisse erzielen (was z.B. Licht mit kleinen Gauben betrifft), die schlechten Architekten werden aussortiert – na ja die ist elitär und arrogant. Wer Geld hat kanns sich leisten, die anderen eben nicht.
Meine Rede in der Sitzung
Satzungen
Erhaltungssatzung
Gestaltungssatzung
Der Erhaltungssatzung habe ich zugestimmt, weil ich richtig finde, dies in einer Satzung allgemein und generell zu begründen.
Der Gestaltungssatzung kann ich nicht zustimmen, das möchte ich hier begründen:
1. Es ist generell wichtig, die Innenstadt in ihrem Bestand zu schützen aber auch behutsam der Moderne anzupassen, von daher ist ein überlegtes und geplantes Vorgehen notwendig
2. Dadurch dass die ganze Altstadt dem Ensembleschutz unterliegt, viele Gebäude unter Denkmalschutz stehen, wir die Erhaltungssatzung beschlossen habe, gibt es genügend Regularien, steuernd einzugreifen
3. wir haben einen hochkarätig besetzten und gut arbeitenden Gestaltungsbeirat, der genau diese Aufgabe übernehmen kann und bisher auch übernommen hat – bei allen bisher genehmigten Vorhaben in der Altstadt hat das auch gut funktioniert – erst im letzten Bauausschuss wurde ein hervorragender Neubau an der Stadtmauer genehmigt
4. Meiner Meinung nach wären die Gestaltungssatzung als “Richtlinie” oder “Rahmenbedingung” sinnvoll, damit wäre ein Ziel vorgegeben, ohne es starr als Vorschrift zu handhaben.
5. Es wird schon alles sehr eingeengt und “modernes” Bauen schwierig und modernes Wohnen und Läden nach heutigen Bedürfnissen erschwert – weiss nicht ob das bei immer mehr Leerstand oder heutigen Wohnbedürfnissen vor allem was Licht betrifft der richtige Weg ist
Wenn wir dadurch Investoren abhalten, leisten wir der Stadt einen Bärendienst
6. Wie soll das im Rosenviertel umgesetzt werden? Hier besteht die große Chance etwas neues und die Altstadt ergänzendes und bereicherndes zu schaffen. Es ist ein “Labor”, die mittelalterliche Altstadt fortzuführen und trotzdem modern zu gestalten.
7. die Sicht auf die Altstadt hat sich immer wieder gewandelt – wurde in den 60/ 70-er Jahren eher abgerissen und “modern” gebaut und eine autogerechte Stadt als Ziel ausgegeben, will man heute aus historischen Altstädten eine “Museum” machen – beides ist nicht richtig – wie immer wäre die Mitte wichtig und richtig
8. In Memmingen gibt es bereits jede Menge “Bausünden”, – das ist Vergangenheit und soll sich auch nicht wiederholen. Dafür braucht es aber mehr Bewusstsein und Sensibilität und auch genaue Richtlinien – aber meiner Meinung keine so detaillierten Vorschriften wie sie hier zur Abstimmung vorliegen
9. Im Wahlkampf vor ein paar Wochen war großes Thema, dass wir die Grünen und die Linken verbieten und alles vorschreiben wollen – hier wird genau dieser Weg gegangen und Dinge bis in kleinste Detail geregelt.
Fazit: Meiner Meinung nach könnte die Gestaltungsatzung mit dem Krieterienkatalog als Rahmenbedingung beschlossen werden – und ist so auch notwendig –
und bei allen Vorhaben im Geltungsbereich der Altstadt ist der Gestaltungsbeirat mit einzubeziehen.
So könnte die Altstadt geschützt und behutsam und auch modern weiterentwickelt werden.
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