Razzia gegen Klimaaktivisten

Die bayerische Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei durchsuchten 15 Wohnungen von Mitgliedern und Unterstützern der Gruppe „Letzte Generation“ in sieben Bundesländern. Der Verdacht lautete Bildung oder Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. (Wie kann die bayerische Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei in SIEBEN Bundesländern Razzien durchführen?)

Heribert Prantl zur Razzia

Ganze aktuell zu dem Thema: Heribert Prantl – Prantls Blick – HIER

Kriminelle Vereinigungen sind, so steht es im Strafgesetz, Vereinigungen „deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Straftaten zu begehen“. In ganz Deutschland haben die Strafverfolger mit diesem seltsamen Vorwurf Razzien veranstaltet, Webseiten gesperrt und Konten beschlagnahmt, sie haben einen sogenannten Vermögensarrest durchgeführt, also die Gelder eingefroren – gerade so, als handele es sich bei den Klimaschützern um geldwaschende russische Oligarchen, die auf der EU-Sanktionsliste stehen. War das rechtmäßig? War das eine polit-populistische Aktion im juristischen Gewand?

Lesch: „Jetzt muss man euch unterstützen“

„Jetzt muss man euch unterstützen. Das kann nicht wahr sein. Für mich wurde eine rote Linie überschritten. Was Ihr macht, da muss man nicht immer zustimmen bei den Aktionen. Aber, dass was jetzt passiert ist, das geht auf keinen Fall. Das kann nicht sein, dass man Euch behandelt wie Kriminelle. Ihr vertretet Eure Meinung und bei euren Maßnahmen da gibt es den strafrechtlichen Bestand der Nötigung. Aber das rechtfertigt auf keinen Fall irgendwelche Razzien und morgens vor dem Bett von Leuten zu stehen mit gezogener Waffe. Das geht auf keinen Fall! Ihr seid keine Mafia. Ihr seid keine Kriminellen. Ihr seid besorgt, wie wir alle und das kann man nicht bestrafen. Das geht auf keinen Fall.“

Harald Lesch auf der Demo gegen die großangelegte Razzia gegen die Klimaaktivisten. Dem kann ich mich nur anschliessen. Es ist Zeit Stellung zu beziehen: diese Razzien sind einer Demokratie unwürdig. Die berechtigten Forderungen der jungen Menschen – die zu Recht um ihre Zukunft bangen – werden mit Füssen getreten. Die in Paris und anderswo beschlossenen Ziele entpuppen sich als „Schein-Riesen“, beschlossene Gesetzt werden nicht oder nur zögernd umgesetzt.

Bildnachweis: BR — HIER

Man muss die Aktionen der „letzten Generation“ nicht gut finden, sie können auch als „Nötigung“ bewertet werden, sie aber mit Terroristen gleich zu setzten geht gar nicht. Sie töten keine Personen sie richten kaum Sachschaden an, sie treten ein für Ziele, die die Politik seit Jahrzehnten kennt, aber viel zu wenig unternimmt sie umzusetzen.

Ich – und hier spreche ich nur für mich – kann diese jungen Menschen gut verstehen und unterstütze sie so gut ich kann. Es herrscht bei vielen Menschen großes Unverständnis wegen der Razzien. Die Vereinten Nationen haben die Bedeutung von Klimaschützern und deren Aktionen hervorgehoben.

UN-Generalsekretär António Guterres

„Klima-Aktivisten – angeführt von der moralischen Stimme junger Menschen – haben ihre Ziele auch in den dunkelsten Tagen weiterverfolgt. Sie müssen geschützt werden, und wir brauchen sie jetzt mehr denn je“, sagte der Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres, Stéphane Dujarric, der Deutschen Presse-Agentur in New York.

Voßkuhle, früher Präsident des Bundesverfassungsgerichts.

Der frühere Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle sieht bei den Klimaaktivisten, die sich auf Straßen festkleben, im historischen Vergleich keine extremen Ansätze. Verglichen mit Aktionen der Anti-Atom-Bewegung oder der Hausbesetzerszene „veranstalten die Straßenkleber heute harmlose Sandkastenspiele“, sagte der Jurist und Hochschullehrer der „Rheinischen Post“. Die aktuellen Zeiten seien nicht besonders ideologisch geprägt, sagte Voßkuhle. Es gebe eher eine gewisse Orientierungslosigkeit. „Im Zeitalter der Globalisierung und Digitalisierung ist alles unübersichtlicher, komplexer und schneller geworden“, erklärte er. „Man muss lauter werden, um sich in dem damit verbundenen Klangbild durchsetzen zu können.“ Voßkuhle war von 2010 bis 2020 Präsident des Bundesverfassungsgerichts.

Quelle: Tagesschau HIER

Die letzte Generation selbst

Nach den Razzien hat die Klimaschutzgruppe von Andrang auf Sitzblockadetrainings berichtet. „Unzählige Menschen haben sich für nächste Woche zu Sitzblockade-Trainings angemeldet“, hieß es in einem am Samstag veröffentlichten und an Bundeskanzler Olaf Scholz gerichteten offenen Brief der Aktivisten. „Wir wünschen uns, dass es unseren Protest nicht mehr braucht. Dass Ihre Regierung verfassungsgemäß handelt. Dass all die neuen Menschen, die gerade zur Letzten Generation strömen, es nicht mehr als notwendig erachten, Sitzblockaden zu machen“, schreibt die Letzte Generation weiter.

Quelle: Tagesschau HIER

taz Berlin

Als Türöffner diente der auch für politische Repression berüchtigte Paragraf 129 der „kriminellen Vereinigung“. Dabei tritt die Gruppe friedlich und transparent auf, sie macht lediglich symbolische Aktionen und übt hauptsächlich zivilen Ungehorsam durch Sitzblockaden auf Straßen aus. Für die Anwendung des Paragrafen 129 braucht es eigentlich eine Gefahr der öffentlichen Sicherheit. Inwiefern die aber von Sitzblockaden oder Festkleben an Bilderrahmen ausgeht, bleibt das Geheimnis der Sicherheitsbehörden.

und weiter in der taz:

Anstatt mit jungen und desillusionierten Ak­ti­vis­t*in­nen ins Gespräch zu kommen, die verzweifelt, aber grundsätzlich friedlich zivilen Ungehorsam ausüben, um für die Einhaltung der Pariser Klimaziele zu protestieren, schicken Po­li­ti­ke­r*in­nen die Polizei vor. Nochmal: Ihre Ziele sind internationaler Konsens, auf den sich auch die Bundesrepublik verpflichtet und deren Einhaltung das Bundesverfassungsgericht angemahnt hat. Der deutsche Staat beantwortet also legitime Kritik mit Repression. Ins Bild passt, dass Bundeskanzler Scholz die Aktionen der Letzten Generation als „völlig bekloppt“ bezeichnete. Gleichzeitig blamiert er sich in seiner angeblichen „Fortschrittskoalition“, weil er nicht einmal Gesetze zur Wärmewende gegen die Blockade der FDP durchsetzen kann.

Dem ist nicht viel hinzuzufügen.

Wenn die Regierung nicht einmal ein Tempolimit, wie in allen anderen europäischen Ländern, zustande bringt, wenn ein 9-Euro Ticket, das ein voller Erfolg war nicht fortgeführt wird, wenn die Klimaziele von der FDP torpediert werden – wie soll man da als junger Mensch nicht verzweifeln. Seit 30 Jahren kämpfen Grüne, ödp. Linke und viele andere für eine andere Politik, die die Lebensbedingungen auf der der Erde nicht zerstört: mit welchen Erfolg?

Wenn man dann noch bedenkt, wie mit Reichsbürgern umgegangen wird, die den Staat nicht anerkennen und wenn man nachvollzieht wie im Rahmen der NSU-Morde mit Tätern und Opfern umgegangen wurde – wird es bedenklich.

Da hilft nur noch Satire (oder festkleben):

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Alle aus „Der Postillion“

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