100 Tage Stadtrat

100 Tage Anarchie – so möchte ich meine ersten 100 Tage als Stadtrat nicht unbedingt umschreiben, aber wenn man in Corona Zeiten anfängt, dann gibt es schon Ansätze davon…

100 Tage Anarchie bezieht sich auf einen Beitrag von Matthias Gronemeyer zu der Zeit nach der Bundestagswahl ohne Regierung:

Im Herbst, genauer am 24. Oktober, konstituierte sich der aktuelle Deutsche Bundestag. Das ist genau 100 Tage her, und wir haben – ein neuer Rekord – immer noch keine richtige Regierung. Der Philosoph Matthias Gronemeyer sieht darin aber sogar eine Chance. Er freut sich richtig darüber.

Vermissen Sie etwas? Eine Regierung zum Beispiel? Ich nicht. Weihnachten ging ohne Explosionen über die Bühne, mein Supermarkt macht pünktlich um acht auf und der DAX steht verlässlich bei 13.000 Punkten. Keine Plünderungen, keine Massenflucht, keine Schießereien auf offener Straße. Dabei haben wir heute seit 100 Tagen Anarchie in Deutschland. 100-Tage-Bilanz der Nicht-Regierung fällt positiv aus. Ist das nicht wunderbar: Wir haben keine (zumindest keine richtige) Regierung – und nichts passiert! Also nichts Schlimmes. Nie war weniger Chaos in Deutschland. Die 100-Tage-Bilanz dieser neuen Nicht-Regierung fällt durchweg positiv aus.

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Mein erstes Fazit nach 100 Tagen

In der Politik wird nach 100 Tagen einer erste Bilanz gezogen. So will ich auch als erster Stadtrat der Linken diese Bilanz ziehen

Nach der Wahl

Da ich als einziger Linker gewählt wurde, war es für mich wesentlich einen Bündnispartner zu finden. Als Einzelkämpfer hat man im Stadtrat keinen Auftrag. Was ich mir nicht so ganz einfach vorstellen konnte,  entpuppte sich als relativ einfach. Es gab mit allen drei in Frage kommenden Parteien ganz schnell Gespräche. alle konnten sich eine Zusammenarbeit mit mir vorstellen. Letztendlich entschied ich mich für Bündnis 90 / Die Grünen. Hier stimmte neben der inhaltlichen Übereinstimmung die Mischung: Jung – alt, Frau – Mann, erfahren – neu. Nach hundert Tagen kann  ich sagen, die Entscheidung war richtig.

Vor der neuen Periode

Wegen Corona konnten keine persönlichen Treffen stattfinden. Das erschwerte die Kommunikation ganz wesentlich. Videokonferenzen sind einfach kein vollwertiger Ersatz. Andererseit hatte ich – da ja keinerlei Veranstaltungen stattfanden, richtig viel Zeit, mich in die neue Materie einzuarbeiten. Meine persönliche Lernkurve ging zu Beginn ähnlich steil nach oben wie die Zahlen der Corona-Infizierten. 

Der Startphase

Bis Weihnachten 2020 hatte ich mir Zeit gegeben, um im Stadtrat anzukommen. d.h. Verwaltung kennen lernen, Kontakte knüpfen, in der Fraktion meine Position finden, in den Ausschüssen mich einzuarbeiten. Jetzt Anfang August kann ich sagen – ich bin angekommen. Es gibt kaum Berührungsängste von anderen Parteien außer der AFD. Zu vielen Stadträt*innen quer durch die Parteien ist das Verhältnis und die Akzeptanz gut. 

Der Stadtrat

Wir bekommen viele Seiten Unterlagen, die durchzuarbeiten nimmt viel Zeit in Anspruch. Ich werde lernen müssen, zu unterscheiden was wichtig ist – wo es sich lohnt zu kämpfen.

Es besteht schon eine zweifache Tendenz: 

  • Vieles intern im Stadtrat zu belassen und wenig nach aussen zu tragen
  • durch die vielen Themen und Entscheidungen nicht mehr das wesentliche zu sehen bzw. selbst Ideen und Vorstellungen zu entwickeln. Oft sind wir der verlängerte Arm der Verwaltung und entscheiden was uns vorgelegt wird. 

Der Stadtrat und die Verwaltung

Mir ist wichtig, dass mehr die  gewählten Stadträte die Richtung der Stadt bestimmen und nicht die Verwaltung. Wir haben die Möglichkeit der Anträge als Fraktion und als Stadtrat. Und wir machen alles ehrenamtlich neben unserer Arbeit. Die Verwaltung hat tausende Mitarbeiter und daher alle Ressourcen. Und den OB als Verwaltungsleiter und der Mehrheitsfraktion. Wie wir wirklich dagegen ankommen, wird sich zeigen.

Wir sind den Bürgern gegenüber auch verantwortlich. Mandatsträger werden immer mehr heftig kritisiert und angegriffen bis hin zu körperlichen Tätlichkeiten.

Dazu ist alle unsere Arbeit durch unzählige rechtliche Vorschriften schon sehr eingeengt. Von den Juristen wird uns immer wieder gesagt, was rechtlich möglich ist. Dabei hängt es meiner Meinung nach entscheidend davon ab, wie „mutig“ die Juristen denken, denn Recht und Gesetz ist nicht so eindeutig wie Juristen gerne vorgeben.

Des Weiteren wird durch die zu geringe finanzielle Ausstattung von Gemeinden und Städten vieles was im Interesse der der Bürger*innen wäre oft erschwert bzw. unmöglich gemacht. Das letzte Wort “ hat der Kämmerer – der Hüter der Finanzen. Dabei steht Memmingen als reiche Stadt im Verhältnis zu vielen anderen sehr gut da.

Stadtrat und Bürger*innen

Wichtig ist mir, die Arbeit im Stadtrat nach außen zu tragen. Daher die Bürgersprechstunde der Fraktion, die Internetseite der Linken und viele Gespräche mit Bürgern. 

Wichtig ist mir auch, Impulse – wenn nicht “Druck” von außen in den Stadtrat zu bringen. Daher engagiere ich mich weiter besonders bei attac Memmingen/Illerwinkel und  beim Bündnis für Demokratie und Menschenrechte, Bund Naturschutz…. 

Nach 100 Tagen bin ich sozusagen angekommen!

Als Linker im Stadtrat

Ich bin ein klarer Verfechter der “kleinen Leute” – sie haben die gleichen Rechte wie die z.B. die Bauträger. In der Theorie ist das klar, in der Praxis schaut es doch dann manchmal anders aus. Ich hinterfrage vieles und stelle auch wichtige Fragen. Ich werde auch anfangen, im September die ersten Anträge zu stellen.

Bürgern in soziale schwierigen Lagen will ich Gehör verschaffen. Wir alle – und damit schließe ich mich nicht aus – sind viel zu sehr der (gebildeten) Mittelschicht verhaftet und die Probleme der kleinen Leute sind meist weit weg von uns.

Herzensangelegenheit Integration

Die Integration der ausländischen Mitbürger*innen und der Mitbürger mit Migrationshintergrund wird in allen Kommunen in Zukunft eine entscheidende Aufgabe sein. Je besser das gelingt umso mehr wird die Stadt bunt und friedlich bleiben. Diese Menschen zu politischer Partizipation zu verhelfen und damit die Bürger*Innen-Beteiligung insgesamt zu verbessern ist mein Ziel.

Was will ich erreichen

Einmal eine andere Diskussionskultur: wenn es einen neuen Vorschlag gibt, ist die erste Reaktion mal ablehnen oder zumindest weiss man sofort jeden Menge Nachteile. Es müsste anders sein: bei jedem Vorschlag überlegen, was ist positiv daran und was kann ich tun, dass der Vorschlag noch besser wird.

Als zweites neue Wege denken. In Zeiten von Klimaerwärmung (und Corana zeigt das deutlich)  sind die alten Lösungen nicht mehr zielführend. Je schneller neue Lösungsansätze gesucht werden um so zukunftsfähiger wird die Stadt. Dazu braucht es Mut und Kreativität. In vielen Kommunen gibt es viele Ansätze, die nachahmenswert sind.

Was ist möglich

Zur Lösung der “großen” Themen der Menschheit wie Klimakatastrophe, wackliges Finanzsystem, Armut und Hunger in der Welt um nur einige zu nennen können auf kommunaler Ebene nicht gelöst werden. Dazu bräuchte es unserer Meinung nach eine Gemeinwohlwirtschaft, die den Menschen auf der ganzen Welt dient und die Natur schont. Den kleinen Teil den wir in unserer Stadt dazu beitragen können, sollten wir nutzen.

Und zum Schluss Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 – 1900), deutscher Philosoph, Essayist, Lyriker und Schriftsteller (Quelle: Nietzsche, F., Nachgelassene Fragmente. Herbst 1887)

Das Gesetz, die gründlich realistische Formulierung gewisser Erhaltungsbedingungen einer Gemeinde, verbietet gewisse Handlungen in einer bestimmten Richtung, nämlich insofern sie gegen die Gemeinde sich wenden.

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