„Nur noch Notwehr“

Am Montag den 11.01.21 werden die Corona Einschränkungen weiter verschärft. Dies ist für uns Anlass, über Corona, das Handeln der Politiker*innen und die Auswirkungen weiter nachzudenken. Der Titel „nur noch Notwehr“ stammt aus einem Artikel der Zeit vom 05.01.2021 – HIER der ganze Artikel und ein Zitat aus dem Artikel: „Ja, es ist richtig, den Lockdown jetzt zu verlängern und zu verschärfen. Aber es ist auch schrecklich falsch.“

HIER noch: Brutale Phantasielosigkeit von Heribert Prantl, dem Memminger Freiheitspreisträger 2021

Das Aktuellste zuerst

Der Memminger Klaus Holetschek wir neuer bayerischer Gesundheitsminister. Er war bisher bereits für die Koordination der Corona-Maßnahmen zuständig.

Klaus Holetschek – HIER der Artikel vom 07.01.21 in der Allgäuer Zeitung

Wir gratulieren unserem Stadtratskollegen von der CSU und wünschen ihm viel Erfolg und eine sichere Hand bei seiner neuen Tätigkeit. Wir wünschen ihm und uns transparente, nachvollziehbare Entscheidungen.

Die Linke. – unsere Position

HIER der Redebeitrag von Katja Kipping hauptsächlich zu den Corona-Maßnahmen und zu den Impfungen.

Es geht jetzt nicht um ein Weiter so beim Lockdown, sondern darum, es endlich richtig zu machen. Es kann nicht sein, dass die gesamte Last der Kontakteinschränkungen nur auf den Schultern der Familien abgeladen wird, so Katja Kipping auf der ersten Pressekonferenz des Jahres 2021 im Karl-Liebknecht-Haus. Weitere Themen waren die Probleme bei den Covid19-Impfungen und das Ende der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. 

Corona und die neue (wievielte?) Runde

Jeder spürt es überall: die Geduld lässt nach, die Ungeduld wächst, das Verständnis über die Entscheidungen lässt nach, die getroffenen Entscheidungen verstehen immer weniger – gerade auch bei denen, die keine Corona-Leugner sind.

Zur Klarstellung

Die Corona-Pandemie ist eine ernsthafte Herausforderung und eine gefährliche Krankheit. Diejenigen, die die Gefährlichkeit oder gar das Vorhandensein leugnen, verhalten sich unverantwortlich bzw. sind mitverantwortlich für die Ausbreitung der Krankheit.

Noch etwas fällt auf: in der ersten Phase im Frühjahr kannten wenige Bürger*innen positiv Getestete und noch weniger kannten Erkrankte auf der Intensivstation. Aber die Menschen hielten sich weitgehende an die Kontaktbeschränkungen. Jetzt kennt fast jeder direkt Betroffene und auch schwer Erkrankte, aber die Bereitschaft sich an die Regeln zu halten nimmt ab.

Was sind die Probleme?

Hier eine (sicher nicht vollständige) Liste:

  1. die nicht mehr nachvollziehbare Logik bzw. Un-Logik was erlaubt ist und was verboten ist
  2. es fehlt fast vollständig die Kommunikation mit den Bürgern*innen, mit der Öffentlichkeit, es wird verordnet! Es fehlt auch immer noch die Diskussion in den Parlamenten.
  3. das Kompetenz-Wirrwarr der verschiedenen Organe (Bundesregierung, Bundesländer,…) der verschiedenen Parteien
  4. die Verteilung der Hilfen ist nicht transparent, in vielen Fällen unlogisch und wird viel zu wenig kontrolliert
  5. es zeigt sich immer deutlicher wer die Gewinner und die Verlierer sind: Die Krise trifft die am härtesten, die wenig haben. Viele Menschen erleiden drastische Einkommensverluste bis zum Totalausfall, in zahlreichen Branchen haben Unternehmen keine Aufträge mehr.
  6. es wurde ab März versäumt, das Gesundheitswesen (Krankenhäuser, Gesundheitsämter) auf die zweite Welle vorzubereiten.
  7. Es wurde überhaupt versäumt, eine allgemeine Strategie für den Winter zu entwerfen, die aber dann auch breit in der Gesellschaft und den Parlamenten diskutiert werden hätte müssen

Es stellen sich viele Fragen:

  • warum kann die Produktion in den Fabriken weiter laufen, aber die Geschäfte müssen schließen?
  • warum gibt es keine Pflicht für home-office wo immer es geht?
  • warum ist buchstäblich jeder Kinderspaziergang härter reguliert als die Arbeitsplätze?
  • warum müssen Gastronomen, Geschäfte, Kulturbetriebe, die im Sommer unglaublich viel Geld investiert haben schließen, aber jeder Chef kann ganz legal seine Mitarbeitenden im Büro antreten und acht Stunden anderthalb Meter voneinander entfernt maskenlos arbeiten lassen?
  • warum können „Unternehmen egal welcher Art ihre Angestellten in Werkshallen und Großraumbüros zwingen während Kitas und Schulen aus Rücksicht aus Rücksicht auf das Virus geschlossen bleiben“ (aus Zeit vom 05.01.21)
  • warum unternimmt die Polizei kaum etwas gegen mangelnden Abstand und fehlende Masken bei Corona-Leugner-Demos, während in Straßen mit Maskenpflicht Radfahrende ohne Masken Strafen zahlen müssen (meistens ohne Hinweis-Schilder oder sonstige Kommunikation)?
  • warum dürfen Handwerker (meist mehrere) ins Haus kommen und Arbeiten ausführen (die oft auch später ausgeführt werden könnten), aber ins gleiche Haus dürfen die Enkelkinder nicht kommen?
  • warum dürfen Privatpersonen (Familien) nur 15 km Radius sich bewegen, während Fahrer von amazon, Fleischbetrieben (wo die Corona-Zahlen besonders hoch sind) und sonstiger Lieferverkehr unbegrenzt fahren?
  • man könnte noch viele weitere Fragen stellen

Schulen und Kindergärten

Besonders untragbar ist die Situation in den Schulen und Kindergärten. Die Kommunikation, die Vorbereitung und Umsetzung der Maßnahmen ist beschämend. Lehrer und Erzieher bekommen keine verbindlichen Informationen und keine Unterstützung und Eltern (die genauso wenig informiert sind) reiben sich zwischen Homeoffice und Homeschooling auf, beides unerträglich schlecht organisiert.

Es gibt Länder, die haben die Zeit seit März genutzt: sie haben Luftfilterkonzepte erarbeitet, funktionierende digitale Lern-Plattformen aufgebaut, didaktisch sinnvolle Homeschooling-Strategien entwickelt, Schnelltests und Fiebermessungen in den Schulalltag integriert oder wenigstens flächendeckend regelmäßig FFP2-Masken verteilt. In Deutschland wurde empfohlen, ordentlich zu lüften (und viel diskutiert).

Die Bundesregierung und die bayerische Regierung haben den Sommer „verschlafen“. Herr Söder tritt zwar immer als der „Macher“ auf und als Problemlöser. Tatsächlich passiert ist nahezu nichts!

Und jetzt die Impfung

Es gibt erfreulicherweise durch konzentrierte Forschung (mit viel Steuergeldern) in sehr kurzer Zeit wirksame Impfstoffe.

Es ist wichtig dass sich viele Bürger*innen impfen lassen. Wir unterstützen auch die Impfungen und die Impfcampagne vollumfänglich und wünschen uns, dass sich viele impfen lassen.

Aber: der Start der Impfkampagne war wie die gesamten Corona-Maßnahmen: holprig und auch dilettantisch. Ein Zitat des Impfstoff-Miterfinders Uğur Şahin über die Verhandlungen mit Deutschland un der EU: »Of­fen­bar herrsch­te der Ein­druck: Wir krie­gen ge­nug, es wird al­les nicht so schlimm, und wir ha­ben das un­ter Kon­trol­le. Mich hat das ge­wun­dert.«

Das Verhältnis Politik und Bürger*innen – es wird nicht einfacher

Es ist eine seltsame Mischung, die die Politiker*innen gerade bieten: mangelnde Nachvollziehbarkeit, auftrumpfende Regierungsautorität bei gleichzeitiger „Kleinwurstigkeit“, Selbstüberschätzung und ausufernde Kontrolle.

Zugegeben: es ist nicht einfach für die Poltiker*innen, die Entscheidungen zu treffen. In der ersten Phase der Pandemie im Frühjahr 2020 wurde ihnen noch zugestanden, (falsche) Entscheidungen schnell und auf dem Verordnungsweg zu treffen – es war alles zu neu und es musste auch schnell gehen. In dieser Zeit haben die Menschen die Entscheidungen mit großer Mehrheit mitgetragen.

Aber jetzt elf Monate später – nach vielen fragwürdigen Entscheidungen und vor allen nach monatelanger Untätigkeit – wäre es äusserst hilfreich einzugestehen, dass man an die Grenzen stößt und auch falsche Entscheidungen getroffen wurden.

Der Linken Politiker und Minsterpräsident von Thüringen Bodo Ramelow hat genau dies getan. Er hat eingestanden, die Lage falsch eingeschätzt zu haben. Im Kommentar der Memminger Zeitung unten heisst es: „Solche Eingeständnisse zeigen von einer gewissen Größe und können die Gräben überbrücken, die zwischen Politik und Volk in der Pandemie unzweifelhaft aufgerissen wurden.“

HIER das Interview mit Bodo Ramelow

Aber Eingeständnisse von Fehlern allein reichen nicht aus:

HIER – Sarah Wagenknecht: Endlos-Lockdown ohne Alternative? Was wir stattdessen brauchen

  • es ist überfällit zu überlegen, ob ein wirklicher harter shut-down (alles hat zwei Wochen zu – alle Firmen, alle Behörden, alle Geschäfte) sinnvoller wäre und dies mit den Bürger*innen auch zu diskutieren
  • es ist überfällig, ALLES ausführlich in den Parlamenten zu diskutieren
  • es ist überfällig GEMEINSAM mit allen gesellschaftlichen Gruppen die Maßnahmen und die Strategie zu diskutieren
  • es ist überfällig, zu überlegen wie und wann die getroffenen Einschränkungen wieder vollständig zurückgeführt werden können und wie die Demokratie und Bürger*innenbeteiligung generell gestärkt werden können
  • es ist überfällig, über das gesamte Gesundheitssystem einschließlich der Pharmaindustrie nachzudenken und vor allem Privatisierungen von Krankenhäusern SOFORT zu stoppen
  • es ist überfällig darüber zu diskutieren, wie Pandemien dieser Art in Zukunft unwahrscheinlicher gemacht werden können
  • es ist überfällig, eine Diskussion zu beginnen, wie regionaler gewirtschaftet werden kann und wie unsere Wirtschaft umbaut werden muss, um die Abhängigkeiten zu verringern
  • es ist überfällig, unsere Wirtschaft in eine Gemeinwohlökonomie zu überführen

Es zeigt sich immer mehr: unser kapitalistisches Wirtschaftssystem, das auf Gewinnmaximierung (nicht zu verwechseln mit notwendigen Gewinn zum wirtschaften), Ausbeutung von Mensch und Natur beruht, nicht in der Lage ist, die Probleme zu lösen. Auch hier in der Corona-Pandemie nicht.

Hier noch Hinweise auf Länder, die es – wie es aussieht – besser gemacht haben

HIER vergrößern zum Lesen