Königs Wusterhausen – was soll das denn? Mehrere Reden und Aktionen zum Ukraine-Krieg sorgen aktuell für Aufmerksamkeit bzw. Aufregung. Wir stellen drei davon hier vor, u.a. Königs Wusterhausen. Dieser Brief an die Bundesregierung war der Anlass für diesen Artikel.
Ukrainekrieg und Lage der Nation
Der Ukrainekrieg ist bei uns zur „Normalität“ geworden, die „Lage der Nation“ ist einigermassen schwierig. Bundespräsident Steinmeier hat eine Rede zur Lage der Nation dazu gehalten: Alles stärken was uns verbindet.
- HIER die Rede im Wortlaut und im Video
- HIER Prantls Blick: zur Rede von Steinmeier – unten ein kurzer Auszug.
Prantl zur Rede: „Nun hat er mit seiner Rede zum Ukraine-Krieg und zur Lage der Nation versucht, die ganz große Rede zu halten, die Rede zur Zeitenwende und zum „Epochenbruch“, wie er das fünfmal in seiner Rede nannte. Er hat ihr den Titel gegeben „Alles stärken, was uns verbindet“. Aber es fehlte in dieser Rede das, was sie zur großen Rede hätte machen können: Die Gedanken über die Wege zum Frieden. Da wich Steinmeier aus, da war er kleinmütig. Annette Kurschus, die evangelische Ratspräsidenten, ist da mutiger: Sie sagt in ihrer vorab veröffentlichten Predigt zum Reformationstag, „dass die Alternative zum gerechten Frieden doch nicht ewiger Krieg sein darf“. Und sie kommentiert in ihrer Predigt auch sehr richtig: „Niemals darf Krieg die Politik ersetzen.“ Ich saß am Freitagmittag unter den Gästen im Schloss Bellevue, ich habe Steinmeiers Rede zugehört. In meinem SZ-Plus-Text habe ich sie analysiert – unter dem Titel „Am Anfang war das Wort, nicht die Panzerhaubitze.“
Russland und die Ukraine
Hier noch ein Vortrag von Gabriele Krone-Schmalz – Volkshochschule Reutlingen – lang, provokativ und heftig umstritten:
HIER Ein gefährlicher Mix: Kritische Anmerkungen zu dem Vortrag von Gabriele Krone-Schmalz in einem langen Interview von Prof. Klaus Gestwa der Universität Tübingen.
Was ist das Fazit: es ist schwierig, über den Konflikt ehrlich und unvoreingenommen zu urteilen. Es gibt auf beiden Seiten „moralische“ Bewertungen, die eine realistische Beurteilung erschweren. Anstatt ehrlich über Missverständnisse und die Abwägung westlicher und östlicher Perspektiven/Propaganda zu sprechen wird eine Seite moralisch überhoben. Es gibt ausschliesslich ein schwarz-weiss Denken.
Eigentlich müsste klar sein, dass es fast nie nur eine richtige Perspektive gibt. Und dass es sich immer lohnt bzw. notwendig ist auch die eigene Perspektive und das eigenen Handeln kritisch zu hinterfragen. Das ist eine notwendige Voraussetzung jeder harmonischen Beziehung zwischen zwei Menschen. Hält sich einer der Beiden nicht daran führt das unweigerlich zu Streit, „Familienkrieg“ und Trennung. Das gilt auch zwischen zwei Staaten.
Offener Brief Königs Wusterhausen
Auch Königs Wusterhausen hat sich geäussert: nicht zur Lage der Nation, aber zur Lage einer Kommune in heutigen Zeiten. In einen offenen Brief wendet sie sich an die Bundesregierung der sich unserer Meinung nach lohnt zu lesen. Deshalb wollen wir ihn hier veröffentlichen.
Königs Wusterhausen (was für ein schöner Name) liegt südlich von Berlin, mit viel Wasser und Seen. Bei einer unserer Berlin-Reisen haben wir die Gegend besucht.
HIER die Seite der Stadt


Die Zusammensetzung des Gemeinderates ist sehr vielfältig. Es gibt keine eindeutigen Mehrheiten. SPD, CDU und vor allem Die Linke. haben bei den letzten Kommunalwahlen (2019) sehr verloren. Gewonnen haben vor allem die „Freie Wählergemeinschaft“, die AFD und Bündnis90/Die Grünen.

Trotz dieser „diffusen“ Zusammensetzung haben sie mit großer Mehrheit (17 Ja-Stimmen, 6 Nein-Stimmen, 1 Enthaltung) diesen Brief an die Bundesregierung beschlossen und verschickt. Dieser Brief stellt unserer Meinung viele richtige Fragen und viel „Gegebenheiten“ in Frage. Er fordert auf, neu nachzudenken aus Sicht der Gemeinden.
Königs Wusterhausen ist sicher nicht die einzige Gemeinde, die mit diesen Problemen konfrontiert ist. In Memmingen lässt sich die Situation sehr ähnlich beschreiben.
Offener Brief an die Bundesregierung
Offener Brief der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Königs Wusterhausen an die Bundesregierung
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz, sehr geehrte Ministerinnen, sehr geehrte Minister
als Organ der kommunalen Selbstverwaltung gilt unsere ganze Aufmerksamkeit dem Lebensumfeld unserer Bürgerinnen und Bürger, der Bereitstellung der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Infrastruktur.
Die Herausforderungen der vergangenen Jahre, sei es im Ergebnis der so genannten Flüchtlingskrise oder der Pandemiepolitik, haben die personelle und finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen bereits mehrfach überstrapaziert.
Anstatt uns nun den vielen drängenden Kernaufgaben widmen zu können, steht uns unübersehbar die nächste Krise bevor.
Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine löste nahezu unmittelbar eine Eskalationsspirale aus, die sich immer schneller dreht und droht, zu einer umfassenden globalen Krise zu werden.
Völlig anders als bei allen sonstigen Konflikten, gibt es seitens der Bundesregierung keinerlei wahrnehmbares Bemühen um Diplomatie. Allein Waffen und völlig entfesselte Sanktionsmaßnahmen sollen diesmal das alleinige Mittel der Wahl sein. Eine forcierte militärische Aufrüstung geht damit einher.
Wir wollen uns nicht anmaßen zu wissen, was die richtigen Mittel sind in dieser politischen Situation. Aber was wir mit Sicherheit wissen, ist die Tatsache, dass Deutschland nicht über die Bodenschätze, Rohstoffe und Energieauswahl verfügt, um unabhängig von anderen Ländern in der Welt seine Wirtschaft und den minimalen Wohlstand der Bevölkerung aufrecht erhalten zu können. Die Länder, von denen wir abhängig sind, haben in der Regel ihr eigenes konträres „Wertesystem“, oft führen sie seit Jahren Kriege gegen ihr eigenes oder andere Völker.
Wollen wir also künftig mit all diesen Ländern im Kriegszustand sein?!
Wir betrachten diese Art von Entwicklungen mit fassungslosem Entsetzen, insbesondere angesichts der bereits jetzt absehbaren Folgen.
Eine Politik, die sich darauf versteift, dass es nur eine militärische Lösung dieses Konfliktes geben könne, nimmt Tod und Zerstörung – vor allem für zigtausende Unbeteiligte und Unschuldige – billigend in Kauf.
Neben den unmittelbaren Kriegsfolgen in der Ukraine, hat der Sanktionskrieg auch Auswirkungen auf eigentlich völlig Unbeteiligte, die Menschen im sogenannten globalen Süden. Durch den nahezu vollumfänglichen Sanktionsdschungel bedingt, wurden enorme Mengen an Dünger- und Getreideexporten aus Russland und Weißrussland faktisch blockiert. Abgesehen von den ukrainischen Getreideexporten besteht das Problem fort. Eine Ausweitung von Hungersnöten in vielen ohnehin schon gebeutelten Ländern ist die Folge. Ist das im Sinne einer „wertegeleiteten“ Politik?
Die Folgen der gegen Russland gerichteten Sanktionspolitik schlagen mittlerweile auch spürbar auf uns zurück. Energie- und Nahrungsmittelpreise steigen mit zunehmender Rasanz, der historische Anstieg der Erzeugerinnen- und Erzeugerpreise in Höhe von 45,8% im August zeigt an, dass die für September prognostizierte Inflation von 10 % lediglich eine Zwischenstufe auf dem Weg zu neuen Rekorden sein wird.
Bereits im Juli meldete der Sparkassen- und Giroverband, dass bei einer Verstetigung des Inflationsgeschehens 60% der deutschen Haushalte keine Rücklagen mehr bilden können, der Einlagenzuwachs im Vergleich zu 2020 um 98% zurückgegangen ist. Zu diesem Zeitpunkt lag die Inflation bei 7,9%.
Die nun markig als „Doppel-Wumms“ angekündigten Stabilisierungsmaßnahmen in Höhe von 200 Mrd. € lösen das grundsätzliche Problem nicht, es wird an den Symptomen herumgedoktert, wo eine kritische Reflektion der ergriffenen Maßnahmen und ein Umsteuern notwendig wäre.
Die Meldungen über endgültige Betriebsschließungen und Insolvenzen häufen sich. Vielen bereits durch die Pandemie-Politik gebeutelten Gewerbetreibenden geht nun endgültig die Luft aus, aufgrund hoher Kosten bei gleichzeitig einbrechendem Umsatz.
Es kommen nicht bezifferbare Verluste durch Betriebsschließungen, Produktionsverlagerungen ins Ausland, Rezession und Kaufzurückhaltung auf uns zu. Ganze Branchen werden verschwinden und Deutschland verliert seine letzten Standortvorteile. Die zunehmende Inflation wird zu einer massiven Kapitalflucht führen, das ohnehin angeschlagene Finanzsystem droht zu kollabieren. Der Umfang des Gesamtschadens ist unabsehbar. Die Arbeitslosigkeit wird explodieren, gleichzeitig steigt die Zahl der Flüchtlinge, die Sozialsysteme sind jetzt schon völlig überlastet. Daraus folgende soziale und politische Unruhen sind zwangsläufig.
Alle weiteren Entwicklungen sind absehbar, ohne dass damit den Menschen in der Ukraine geholfen ist.
Wir rufen Sie daher dazu auf, alles zu unterlassen, was diesen Krieg verlängert und alles dafür zu tun, dass die Waffen schweigen. Sowohl im Waffenkrieg als auch im Wirtschaftskrieg!
Schließen möchten wir mit den Worten Willy Brandts, die nichts an Ihrer Gültigkeit verloren haben
„Der Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne den Frieden nichts.“
Abstimmung: Ja: 17, Nein: 6, Enthaltungen: 1
Änderungsantrag SPD, Bündnis90/Die Grünen
Die „Regierungsparteien“ haben einen alternativen Entwurf eingebracht:
SPD-Fraktion in der SVV Königs Wusterhausen Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der SVV Königs Wusterhausen Änderungsantrag zur BV 10-22-173
Die Stadtverordnetenversammlung beschließt folgendes:
Resolution der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Königs Wusterhausen
Als Organ der kommunalen Selbstverwaltung gilt unsere ganze Aufmerksamkeit dem Lebensumfeld unserer Bürgerinnen und Bürger, der Bereitstellung der sozialen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Infrastruktur.
Die Aufgaben der Stadt Königs Wusterhausen sind vielfältig und fordern viel Engagement. Die Herausforderungen der vergangenen Jahre, sei es die Wirtschaft- und Finanzkrise, die Flüchtlingssituation oder die Bekämpfung der Corona-Pandemie, haben die personelle und finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen mehrfach überstrapaziert. Anstatt uns nun den vielen drängenden Kernaufgaben widmen zu können, steht uns unübersehbar die nächste Krise bevor.
Aufgrund des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges der Russischen Föderation auf die Ukraine seit dem 24. Februar gerät auch die kommunale Selbstverwaltung unverschuldet in eine erneute krisenhafte Situation. Fokus der Arbeit der Verwaltung und der kommunalen Gremien liegt damit erneut darauf, die über Jahre aufgebauten und gewachsenen städtischen Strukturen zu erhalten. Die aktuelle Situation hemmt die Verantwortungsträger die drängenden strategischen und konzeptionellen Aufgaben der Stadt zielführend zu lösen.
Die aktuelle Energie- und Inflationskrise belasten die Einwohnerinnen und Einwohner, die Verwaltung, die vielfältigen Einrichtungen und nicht zuletzt die teilweise existenzbedrohte Wirtschaft unserer Heimatstadt sehr stark. Angekündigte Unterstützungsprogramme vom Bund und dem Land Brandenburg sind grundsätzlich zu begrüßen, auch wenn die Abstimmungsprozesse zwischen den politischen Akteuren mit erheblichen zeitlichen Verzögerungen einhergehen und das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates zumindest schmälern. Die Handlungsfähigkeit für unsere Städte und Gemeinde muss besonders in solchen Krisenzeiten gewährleistet sein.
Für die Zukunft Europas, der Bundesrepublik Deutschland und auch unserer Heimatstadt ist es erforderlich, dass die kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine ein schnellstmögliches Ende finden. Jeder weitere Kriegstag schafft weitere Opfer, Verletzungen von Menschenrechten und Zerstörung von Städten, Dörfern und lebensnotwendiger Infrastruktur.
Wir fordern die Bundesregierung auf, sich mit allen zur Verfügung stehenden diplomatischen Mittel für ein Ende des Krieges einzusetzen. Voraussetzung ist eine ernsthafte Bereitschaft zu diplomatischen Lösungen, immer unter Wahrung akzeptabler Verhandlungsgrundlagen für alle Beteiligten.
Königs Wusterhausen, den 20.10.2022
Ludwig Scheetz, Vorsitzender SPD-Fraktion
Ines Kühnel, Vorsitzende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
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