Klima-Aktivisten

Klimaaktivisten und Reaktionen

Hier einige Zeitungsartikel zu diesem Thema

  • In Bayern 33 Klimaaktivisten längerfristigen Gewahrsam – SZ vom 12.11.22
  • EKD Synode solidarisiert sich mit Klimaaktivisten – BR vom 08.11.22
  • Ploss (CDU Hamburg) Ploß fordert härtere Strafen für Klima-Aktivisten und kritisiert Grüne, SPD und Linke: „Bestärken diese radikalen Kräfte“ – Hamburger Morgenpost 12.11.22
  • Klimaprotest hatte keinen Einfluss auf Versorgung des Unfallopfers – SZ vom 05.11.22
  • Stadt München verbietet Klimaproteste in Form von Straßenblockaden – SZ vom 09.12.22
  • Proteste in München: Mit Seifenlauge gegen die Klimaaktivisten – SZ vom 10.12.22
Spiegel online vom 05.12.22- Karlsplatz (Stachus) in München: Aktivisten kleben sich auf der Fahrbahn fest
 Foto: Sachelle Babbar / ZUMA Wire / IMAGO

Hier unsere Meinung dazu

Ausgehende von Deutschland / Bayern tobt inzwischen in vielen Ländern Europas eine Art „Kulturkampf“ seit Klima-Protestaktivist:innen mit medienwirksamen Aktionen in Museen und auf der Straße auf sich aufmerksam machen. Ausgelöste vor allem durch die Geschichte, in Berlin hätte eine Behinderung eines Rettungswagens den Tod einer verunglückten Radfahrerin verursacht. Die Notärztin sprach von keiner Behinderung. (PS: was ist in diesem Zusammenhang mit der Weigerung der FDP/CSU Tempo 120 auf Autobahnen einzurühren, das nachweisliche ca. 120 Tote weniger bedeuten würde?)

In Wien z.B. haben KlimaaktivistInnen wochenlang Straßenblockaden durchgeführt, um auf ihre Forderung nach einem Tempolimit von 100 km/h auf der Autobahn aufmerksam zu machen, in Linz wurde auf diese Weise gegen den Autobahnausbau protestiert und nun auch in Graz. Monatelang ohne diesen heftigen verbalen Kampf gegen die Aktivist:innen. In den Facebook-Kommentarspalten blühten auch in Österreich inzwischen Gewaltfantasien und Drohungen gegen Klimaaktivist:innen, und in Wien fantasierte für die FPÖ Dominik Nepp von „Klima-Terroristen“, wetterte gegen „verwahrloste und arbeitsscheue Gestalten“ und schlug vor, TeilnehmerInnen an Straßen-Protestaktionen in Psychiatrien zwangseinweisen zu lassen. In Deutschland ist es nicht anders.

Das alles ist vermutlich wohl nur ein kleiner Vorgeschmack auf die kommenden Jahre und Jahrzehnte.

Der Klimawandel kommt langsam auch in der alltäglichen Realität Europas voll an, mit immer neuen Rekordsommern mit tausenden Hitzetoten, mit sich häufenden Naturkatastrophen wie den verheerenden Überschwemmungen in Deutschland im vergangenen Jahr und mit Rekorddürren wie in Österreich und anderen Ländern dieses Jahr. Nur noch hartgesottenste VerschwörungstheoretikerInnen können Wirklichkeit und Dramatik der menschengemachten Erderwärmung bestreiten.

Eine Klimapolitik, die dieser Wirklichkeit Rechnung und alles daransetzt, die heran rollende Katastrophe aufzuhalten oder zumindest möglichst abzufedern, geht unserer Meinung nach nicht mit dem herrschenden Wirtschaftssystem, in dem Konkurrenz die wesentliche Antriebsfeder ist. Alle Konzerne, die in der Konkurrenz bestehen wollen, sind gezwungen, möglichst viel möglichst billig und möglichst umweltschädlich zu produzieren und immer mehr und immer neue Produkte auf den Markt zu bringen. Dies geschieht mit immer mehr Werbung und immer aggressiverer Werbung. Dabei werden jede Menge Produkte hergestellt, die keinerlei Sinn machen und die Lebensqualität in keiner Weise erhöhen (geschätzt könnten mindestens 30% der Produkte wegfallen ohne Auswirkungen auf den Lebensstandard). Dazu kommt dass unser Wirtschaftssystem jede Form von Reparatur verhindert. Hauptargument sind immer die Arbeitsplätze.

Ganz zu schweigen davon, dass das Öl- und das Automobilindustrie (letztere vor allem in Deuschtland) , die im Rahmen einer konsequenten Klimapolitik mehr eingeschränkt wären, einen riesigen Wirtschaftssektor darstellen und dementsprechend auch eine mächtige, um den nationalen Kapitalstandort besorgte politische Lobby haben. Siehe auch Autolobbyisten auf der UN-Klimakonferenz in Ägypten.

In der Klimabewegung breitet sich diese Erkenntnis zunehmend aus, immer mehr AktivistInnen stellen fest und verkünden, dass konsequente Klimapolitik mit diesem Wirtschaftssystem nicht möglich ist und es unbedingt in irgendeiner Form eine „Gemeinwohl-Ökonomie“ braucht. So zuletzt auch Greta Thunberg. Immer mehr Menschen erkennen gerade am Beispiel der Klimakrise klar, dass die Menschheit mit unserem Wirtschaftssystem keine Zukunft mehr hat.

HIER Gemeinwohl-Ökonomie: das Konzept einfach erklärt. Ob die Gemeinwohl-Ökonomie ausreicht, ist umstritten. Und zwar von mehreren Seiten: Zu den Vorwürfen gehört zum Beispiel, dass die Gemeinwohl-Ökonomie Eigentums- und Freiheitsrechte einschränke. (von Seiten der Konzerninteressen). Es gibt auch weitergehende Forderungen bzw. Fragen: ist das „Privateigentum von Produktionsmitteln“ nicht die Ursache allen „Übels“ (linke marxistische Position)

In den Konzernzentralen und die Interessen der Wirtschaft vertretenden Parteien erkennt man, dass die Klimakrise in vielen Menschen Überlegungen gegen unser Wirtschaftssystem reifen lässt, dass bedeutende Teile der Klimabewegung sich nach links bewegen und immer mehr Menschen dämmert, dass „Fortführung des herrschenden Wirtschaftssystems“ nichts anderes bedeutet als „Zerstörung der ökologischen Lebensgrundlagen der Menschheit“. Kein Wunder, dass die Klimabewegung zunehmend als Gegner wahrgenommen wird.

Wie reagieren auf diese Entwicklung? Den Klimawandel einfach zu leugnen funktioniert immer weniger. Seine Wirklichkeit ist inzwischen so evident, dass man sich damit in den Augen der riesigen Mehrheit der Bevölkerung nur lächerlich machen würde.

Stattdessen kann man eine Doppelstrategie erkennen. Einerseits wird mit herrlichen Versprechungen auf einen technologisch optimierten „grünen Kapitalismus“ die Illusion geschürt, Kapitalismus und Rettung des Weltklimas seien widerspruchsfrei miteinander vereinbar.

Andererseits soll die Klimabewegung, sollen alle, die auf die Straße gehen und stören statt geduldig und still zuhause zu sitzen und auf den versprochenen grünen Kapitalismus der Zukunft zu warten, verleumdet und diskreditiert werden, um „normale Leute“ davon abzuschrecken, sich auf deren Seite zu stellen. Keine Lüge ist zu dreist, kein Vorwurf und keine Verleumdung zu dick aufgetragen, um die Klima-AktivistInnen als „Terroristen“, als „arbeitsscheues Gesindel“, als realitätsfremde Ideologen zu entlarven, und die LeserInnen von Bild und Co werden täglich darüber belehrt, nicht die Konzerne und ihre Zerstörung der Ökosysteme seien das eigentliche Problem und die wahren Feinde der „normalen Menschen“, sondern diejenigen, die dagegen auf die Straße gehen. Klimaschutz gut und schön, aber bitte nur in ordentlicher Form: demonstrieren, Plakate hochhalten, am besten zu Hause bleiben und auf die Rettung durch den grünen Kapitalismus warten. Und bis dahin vielleicht durch „ethischen Konsum“ bei denjenigen Konzernen einkaufen, die die schöneren Versprechungen machen.

Bei dieser Kampagne gegen die Klimabewegung geht es in Wirklichkeit gar nicht um bestimmte konkrete Aktionsformen oder einzelne Organisationen (Die „Letzte Generation“, die aktuell so viel von sich reden macht, ist weder besonders radikal noch steht sie innerhalb der Klimabewegung sonderlich weit links), sondern um Diskreditierung nicht nur der gesamten heutigen, sondern mehr noch der gesamten befürchteten größeren und radikaleren Klimabewegung der Zukunft.

Es geht letzten Endes um die Frage: Haben die Konzerne ein selbstverständliches Recht darauf, für ihr Profitinteresse die Zukunft der menschlichen Zivilisation zu gefährden und ist folglich jeder, der dabei stört ein Terrorist – ja oder nein?