Bodenmodell

Bild: Initiative Bodenrecht – München

Gesetzte und Urteile

12 Bauernartikel 1525 - Artikel 10
Haben etliche sich Wiesen und Äcker, die einer Gemeinde zugehören (Gemeindeland, das ursprünglich allen Mitgliedern zur Verfügung stand), angeeignet. Die wollen wir wieder zu unseren gemeinen Händen nehmen.

Bayerische Verfassung Artikel 161
(1) Die Verteilung und Nutzung des Bodens wird von Staats wegen überwacht. Mißbräuche sind abzustellen.
(2) Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen.

Baugesetzbuch 176 Baugebot
(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans kann die Gemeinde den Eigentümer durch Bescheid verpflichten, innerhalb einer zu bestimmenden angemessenen Frist
1.sein Grundstück entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans zu bebauen,....

Artikel 14 Grundgesetz
"Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen."

Beschluss Bundesverfassungsgericht vom 12.01.1967
"(...) Die Tatsache, dass der Grund und Boden unvermehrbar und unentbehrlich ist, verbietet es, seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der Kräfte und dem Belieben des Einzelnen vollständig zu überlassen; eine gerechte Rechts- und Gesellschaftsordnung zwingt vielmehr dazu, die Interessen der Allgemeinheit in weit stärkerem Maße zur Geltung zu bringen als bei anderen Vermögensgütern."

Münchner Aufruf

Maßgeblich entstanden unter Mithilfe von Hans Jochen Vogel – siehe weiter unten.

„Das beschleunigte Wachstum Münchens und vieler anderer Stadtregionen in
Deutschland führt zur dramatischen Verknappung und Verteuerung von Wohnraum
und Bauland. Die Bodenspekulation wird dadurch weiter angeheizt. Städtische
Immobilienmärkte sind zum Tummelplatz nationaler und internationaler
Investoren jeder Couleur geworden. In München haben sich die Bodenpreise für
den Wohnungsbau in den letzten 10 Jahren verdreifacht. Eigentumswohnungen
sind für die übergroße Mehrheit der Bevölkerung unerschwinglich geworden,
ein wachsender Teil der Haushalte kann sich am freien Markt auch nicht mehr
mit bezahlbaren Mietwohnungen versorgen. Leistungslose, also nicht auf eigenen
Anstrengungen beruhende Gewinne aus Grundstücks- und Immobiliengeschäften
werden hingegen weiterhin von einer kleinen Minderheit privatisiert.“

  • HIER: Münchner Aufruf für eine andere Bodenpolitik (Bild oben von hier)
  • HIER der Aufruf als PDF

Ulmer Bodenmodell

HIER zur Internetseite der Stadt Ulm

Das Bodenmodell in Ulm, im wesentlichen entwickelt seit 1890 (geschichtlich mit ersten Anfängen ca. 1300) ist ein bedeutendes Modell und wird von anderen Kommunen viel nachgefragt.

Bild: Stadt Ulm – Grundstückspolitik

Es besteht im wesentlichen aus zwei Komponenten

  • In Neubaugebieten werden, egal ob Wohnbau oder Industriebau nur dann Bebauungspläne erstellt, wenn ALLE (100%) Grundstücke im Besitz der Stadt sind
  • Ehemals stadteigene Grundstücke, die an an Privat oder Industrie verkauft wurden, können NIEMALS an privat weiterverkauft werden.
  • Zitat Ulm: „Dies wird durch Auflassungsvormerkung zugunsten der Stadt Ulm im Grundbuch gesichert. Dieses Wiederkaufsrecht wird erst dann gelöscht, wenn durch den privaten Grundstückserwerber der verfolgte Zweck verwirklicht ist, also z. B. ein Wohnhaus bezugsfertig errichtet und 10 Jahre selbst bewohnt war, oder ein Gewerbeobjekt bezugsfertig errichtet ist.
  • Die Planungshoheit aktiv und selbstbewusst wahrzunehmen wird auch bei Umnutzung von ehemaligen Industrieflächen zu Wohnbauflächen beachtet, in dem der monetäre Wertzuwachs des jeweiligen Grundstücks (zumindest in Teilen) von der Stadt vor Umplanung eingefordert wird.
  • Ulm zahlt an die Grundstückseigentümer einen „fairen“ Preis, so Soldner von der Stadt. Er liegt so um 60,00€ für den m2 Wiese oder Ackerland.
  • Grundstückspreise seien in den letzten zehn Jahren um höchstens 30 Prozent gestiegen, schätzt Soldner (Stadt Ulm verantwortlich für das Ulmer Modell). Damit liegen sie heute in Ulm mit durchschnittlich 250 Euro pro Quadratmeter bei einem Drittel vergleichbarer Städte – siehe unten Hans Jochen Vogel (München)

Dadurch hat die Stadt Ulm einen umfangreichen Grundbesitz (4.500 ha bei 120.000 Einwohnern – mehr als 1/3 des kompletten Stadtgebietes), was der Stadt Ulm dazu erlaubt Ausgleichsflächen für versiegelte Flächen stets anbieten zu können.

Weiter aus Ulm:

Darüberhinaus werden laufend Maßnahmen zu Gunsten von Tälerprogrammen, Fluss- und Bachrenaturierungen, die Anlagen von Biotopen und Neuaufforstungen vorgenommen. Somit kann der stadteigene Besitz auch im Bereich Umwelt- und Naturschutz einen wesentlichen Beitrag leisten, weil es immer einfacher ist, auf eigenen, also stets verfügbaren Flächen sinnvoll erscheinende Maßnahmen umzusetzen.

Fazit: diese Vorgehensweise hat einen enorm preisdämpfenden Einfluss am Bodenmarkt. Auch bei Umplanungen z.B. von Industriegebiet zu Wohngebiet wird von der Stadt der „monetäre Zuwachs“ teilweise eingefordert. Darüberhinaus gibt es umfangreiche städtebauliche Vorlaufsrechte.

Es besticht durch seine Eindeutigkeit, Klarheit und Einfachheit. Jeder weiss wie er dran ist und es gibt keine Ausnahmen.

  • HIER Seite der Stadt Ulm zur Grundstückspolitik
  • HIER Business Insider: Wie Ulm dafür sorgt, dass Spekulanten bei Grundstücken und Bauflächen seit mehr als 100 Jahren keine Chance haben
  • HIER taz: Die Ulmer Bodenpolitik – Mittlerweile befindet sich etwa ein Drittel des kompletten Stadtgebietes in kommunaler Hand. Wie Ulm die Spekulation mit Bauland bremst.
  • HIER: Bodenpolitik am Gemeinwohl orientieren – Dokumentation einer Fachtagung des Mieterbunds Baden-Württemberg (mit Videodiskussion und vielen Vortrags-Folien)
  • HIER Neue Bodeninitiative Basel – am 28.02.2016 68% Ja-Stimmen

Hans Jochen Vogel – SPD

Vogel war seit über 50 Jahren ein Kämpfer für eine soziale Bodenreform.

Zitat Vogel: „Grund und Boden ist keine beliebige Ware, sondern eine Grundvoraussetzung menschlicher Existenz. Boden ist unvermehrbar und unverzichtbar. Er darf daher nicht dem unübersehbaren Spiel der Marktkräfte und dem Belieben des Einzelnen überlassen werden“.

Mehr als andere Güter müsse der Boden in den Dienst des Allgemeinwohls gestellt werden. Denn er sei eine wesentliche Grundlage der Daseinsvorsorge. Sofern Grund und Boden „wohnungsrelevant“ ist, will Vogel diesen „in den Allgemeinwohlbereich überführen“. Als Bauminister unter Willy Brandt und Helmut Schmidt machte er aus seinen Ideen eine Gesetzesinitiative, die aufgrund der Intervention zunächst des SPD-Partners FDP und dann im Bundesrat der Union so verwässert wurde, dass sie die Misere kaum linderte. In seinem letzten Buch „Mehr Gerechtigkeit“ (mit 95 Jahren) hat er sich des Themas Boden wieder angenommen. So ungerecht ging es vor 50 Jahren zu; so ungerecht geht es noch heute zu. Ein paar Zahlen aus dem Buch:

  • In München macht der Anteil für den Boden heute fast 80 Prozent der Neubaukosten einer Wohnung aus
  • Bundesweit sind die Baulandpreise seit 1962 um 2308 Prozent gestiegen
  • In München seit 1950 gar um 39 390 Prozent.

„Es erstaunt mich“, schreibt Vogel, dass diese Zahlen „so gut wie keine öffentlichen Protestbewegungen und bisher auch keinen Medienaufruhr verursacht haben.“

Schon 1970 gab Vogel zu Protokoll, wie ungerecht es sei, dass ein privater Grundeigentümer zwar entschädigt werden muss, wenn kommunale Planung den Wert seines Bodens mindert. Dass derselbe Eigentümer aber allen Gewinn behalten darf, wenn eben diese Planung den Wert seines Grunds steigert. „Leistungsloser Bodengewinn“ lautet einer der Schlüsselbegriffe bei Hans Jochen Vogel.

Vogel spricht sich klar aus:

  • für Enteignung
  • er nennt Ross und Reiter, wer entsprechende Gesetze verhindert: CDU/CSU und FDP

Zitat: Vogel: „Die Mieten steigen. (…) Die Eigentumsbildung wird zum Spekulationsobjekt. (…) Ungeschminkt ausgedrückt: eine verschwindend kleine Minderheit wurde durch diese Entwicklung maßlos reich. Wir Normalbürger finanzieren diese Millionengewinne durch Steuern und durch Verzicht auf dringende Einrichtungen der Daseinsvorsorge.“

Und jetzt Memmingen

In Memmingen gibt es einen Antrag der CSU zum Ulmer-Bodenmodell vom 08.04.2019, der bereits am 22.06.2020 im Stadtrat behandelt wurde aber zur weiteren Bearbeitung an die Verwaltung überwiesen wurde.

  • HIER der Antrag der CSU vom 08.04.2019
  • HIER Vorlage für die Sitzung des Stadtrates am 22.06.2020

Über die Diskussion und Entscheidung hier in Memmingen werden wir hier ausführlich in den nächsten Wochen berichten.